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Wenn Graffiti auf Sandstein trifft

Manche Sprayer schrecken vor nichts zurück. Die Polizei zählt allein 1.100 Straftaten in Dresden. So kann die Lösung aussehen.

Von Peter Hilbert
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Erst gereinigt und schon wieder beschmiert. CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns ist empört, dass die Stützwand an der Albertbrücke wild besprüht ist.
Erst gereinigt und schon wieder beschmiert. CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns ist empört, dass die Stützwand an der Albertbrücke wild besprüht ist. © René Meinig

Hans-Joachim Brauns steht vor der großen Sandsteinwand am Neustädter Ende der Albertbrücke. Vor wenigen Monaten war sie im Zuge der Sanierung der Brückenunterseite erst gereinigt worden. Doch jetzt sind diese Flächen, aber auch die Sandsteinbrüstungen schon wieder mit wilden Graffiti beschmiert. „Mich ärgert besonders die Ignoranz vor der Leistung der Handwerker“, sagt der CDU-Stadtrat, der ordnungs- und sicherheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Das sei nicht nur Sachbeschädigung, sondern auch eine Straftat, erklärt der 60-Jährige, der als Richter am Landgericht arbeitet.

Die Konsequenzen: Fast 59.000 Euro Schäden an Brücken und Stützwänden

Das Straßenbauamt sieht sich außerstande, diese neuen Schmierereien an der Albertbrücke in absehbarer Zeit zu beseitigen. Seit Jahren registriert das Amt über 100 solcher Fälle an Brücken, Stütz- und Lärmschutzwänden sowie auf Plätzen und Straßen. Im vergangenen Jahr gab es 102 wilde Graffiti, dieses Jahr bisher 59. Lag der Schaden 2016 noch bei rund 40.000 Euro, so waren es 2018 bereits knapp 59.000 Euro. „Aus Kostengründen werden Graffiti grundsätzlich nur entfernt, wenn der Inhalt verfassungs- oder fremdenfeindlich oder der Verursacher bekannt ist, also die Kosten geltend gemacht werden können“, erklärt Rathaussprecherin Anke Hoffmann. Die Taten werden zwar bei der Polizei angezeigt. Dennoch bleibt die Stadt auf einem Großteil der Kosten sitzen. So zahlten die ertappten Sprüher im vergangenen Jahr lediglich 1.128,90 Euro.

Die Strafverfolgung: Nur zwölf Prozent der Fälle können aufgeklärt werden

Beschmiert werden aber nicht nur Brücken, sondern viele andere Orte. Zumindest scheinen sich die Bemühungen der Polizei in Dresden insgesamt etwas auszuzahlen. Die Zahl illegaler Sprühereien ist leicht gesunken. Waren es 2016 noch 1.450 Fälle, so sanken sie 2018 auf 1.100, teilt Polizeisprecher Marko Laske mit. Davon konnten im vergangenen Jahr 128 Fälle aufgeklärt werden. Die Aufklärungsquote ist damit von 10,6 Prozent im Jahr 2016 auf 12,5 Prozent 2018 gestiegen.

Dieser Anblick bietet sich auf Dresdens schönster Brücke.
Dieser Anblick bietet sich auf Dresdens schönster Brücke. © René Meinig
Verunstaltet sind die neuen Sandsteinbrüstungen der Albertbrücke. 
Verunstaltet sind die neuen Sandsteinbrüstungen der Albertbrücke.  © René Meinig
Diese Fläche am Waldschlößchen könnte mit schönen Graffiti gestaltet werden.
Diese Fläche am Waldschlößchen könnte mit schönen Graffiti gestaltet werden. © René Meinig

Die Reaktionen: Passanten über Zerstörungswut an Brücke frustriert

Nicht nur Dresdner, sondern auch Touristen können über die verunstalteten Sandsteinflächen an der Albertbrücke nur den Kopf schütteln. „Das ist blanke Zerstörungswut, die für mich unter Vandalismus läuft“, sagt der Berliner Christoph Schreivogel. Heinrich Wielage aus dem Emsland findet es schade, dass eine so schöne Stadt wie Dresden damit verschandelt wird.

Die Idee: Graffiti schnell entfernen und wichtige Bereiche überwachen

Die CDU-Fraktion drängt jetzt darauf, dass sich der Zustand ändert. „Dazu haben wir einen Antrag für eine saubere Stadt eingereicht“, sagt Ordnungssprecher Brauns. Im Zentrum innerhalb des 26er-Rings sollen Graffiti-Schmierereien vor allem an Sandsteinbrücken und -flächen wirkungsvoll bekämpft werden. Effektiv ist es, sie binnen 24 Stunden zu entfernen, erklärt Brauns. Denn so würden die illegalen Sprüher abgeschreckt, da ihre wilden Krakel schnell wieder verschwinden. „Das hat sich in einigen Städten als das wirksamste Mittel gegen Graffiti bewährt“, sagt er. Als Beispiel führt Brauns Dresdens holländische Partnerstadt Rotterdam an. Bei einem Besuch war der Stadtrat überrascht, dass dort fast nirgends solche Schmierereien zu sehen sind. Sie werden sofort beseitigt, sei ihm bei einer Führung erklärt worden.

Außerdem sollten die Anti-Graffiti-Aktionen mit der Drewag, den Verkehrsbetrieben, der Deutschen Bahn und anderen Partnern abgestimmt werden, um mehr Wirkung zu erzielen. Darüber hinaus schlägt Brauns vor, solche wichtigen Stellen wie die Albertbrücke zu überwachen – mit Kameras oder Wachschutz, erläutert er. An der Synagoge, die Tag und Nacht von der Polizei bewacht wird, sei keine einzige Schmiererei zu sehen.

Der Königsweg, um wilde Graffiti zu verhindern, sei aber die Gestaltung von Flächen. Das habe sich an Drewag-Häuschen oder am Haltepunkt Bischofsplatz gezeigt. Die Stadt könnte doch dafür zusätzliche Betonflächen an der Waldschlößchenbrücke zur Verfügung stellen. Eine solche Strategie würde Dresden, das sich um den Titel als europäische Kulturhauptstadt 2025 bewirbt, gut zu Gesicht stehen. Dafür sollte die Stadt auch zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Brauns hofft, dass der Graffiti-Antrag noch dieses Jahr vom Stadtrat beschlossen wird.

Die Reaktion: Der Stadtrat müsste zusätzlich hohe Summe einplanen

Eine Videoüberwachung der Brücken und Anlagen hält Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) nicht für möglich. Dafür fehle die Rechtsgrundlage. Mit dem derzeit vorhandenen Geld und Personal könnten die Graffiti nicht in 24 Stunden beseitigt werden. Entweder bestätigt der Stadtrat zusätzliches Geld oder es müsste von dem für den Unterhalt von Straßen, Geh- und Radwegen abgezweigt werden. 

Außerdem sei es selbst bei genügend Geld und Personal schwierig, die Vergabeverfahren und die Reinigung binnen 24 Stunden zu schaffen. Zumal die Erfahrung zeige, dass die Flächen schnell wieder besprüht sind. Dem Vorschlag von Brauns, mehr legale Möglichkeiten für Graffiti-Sprüher zu schaffen, stimmt der Baubürgermeister hingegen zu. „Wir sind ständig auf der Suche nach derartigen Flächen“, erklärt er. Erfahrungsgemäß würden künstlerische Graffiti Schmierereien verhindern.

Brauns ist klar, dass viel Geld nötig sein wird, um eine schnelle Lösung zu finden. „Es sollte aber erst einmal geprüft werden, was es kostet“, sagt er. Finanzielle Möglichkeiten sieht er schon, zumal die Stadt hohe Mehreinnahmen habe.