Von Nadja Laske
Neue Stadt, neuer Job, neues Heim. Vor allem aber ein neuer Schrank – da fehlt im Leben einer Frau nur noch ein neuer Look. Carolin Boss hatte die ewige Kombination Jeans und Shirt satt. Darüber hinaus fand sie die Auswahl ihrer Garderobe eher mäßig. „Ich wollte wissen, ob mir vielleicht Sachen stehen, auf die ich selbst gar nicht komme“, sagt die 28-Jährige. Trotz ihrer langen blonden Haare ist sie kein Pferdemädchen, sondern eher ein Typ zum Pferdestehlen. Es macht ihr nichts aus, sich die Hände schmutzig zu machen, das ist sie als Gärtnerin gewohnt. Lieber Softshelljacke als Blaser, Ohrstecker statt Klunker, Umhängetasche statt Clutch. Aber muss das so bleiben?
Carolin suchte sich Hilfe. Bisher hatte Carolin mit Pflanzen und viel Erde gearbeitet. „Da zieht man sich nicht schön an, weil am Abend sowieso alles schmutzig ist.“ Nun aber wird sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen, dafür bewirbt sie sich derzeit in Seniorenheimen als Azubi. So schick wie möglich, aber nicht schicker als nötig wollte die Neudresdnerin zum Vorstellungsgespräch gehen. Doch was genau das heißt, wusste sie nicht.
Wer sich damit auskennt, ist Julia Naumann. Sie hat aus der Stilunsicherheit anderer Leute einen Job gemacht, der sich zu tragen beginnt. Jahrelang beriet sie als Verkäuferin Kundinnen in Boutiquen und sammelte in der Modebranche Erfahrung. Anfangs tat das die 30-Jährige auch neben ihrem Geschäftsmodell noch. Zu ihr kam Carolin Boss zur Stil- und Typberatung. Von ihrem Freund hatte sie einen Gutschein geschenkt bekommen. Nicht unaufgefordert, sondern als Erfüllung eines Weihnachtswunsches. Auf der Suche nach etwas mehr Vielfalt im Kleiderschrank vertraute sie sich der Mode-Kennerin an. Sportler und Fitnessbesessene haben einen Personal Trainer, Julia Naumann bietet ihre Dienste als Personal Shopper an. Neben der Beratung in Stil-, Typ- und Farbfragen begleitet sie ihre Kunden auch zum Bummel durch die Modehäuser. Auf Wunsch kommt sie zu ihnen nach Hause und nimmt den Inhalt des Kleiderschranks unter die Lupe. Irgendetwas zwischen Wundertüte und Basar findet die Fashion-Fachfrau meistens vor. Nicht alles darin ist untragbar, in aller Regel findet sie hübsche Teile, die lange kein Tageslicht mehr sahen. „Ich habe nichts, was dazu passt“ ist die häufigste Erklärung. Julia Naumann hat Ideen, kombiniert fast vergessene Blusen mit Hosen, für die sich angeblich nie ein Pendant fand, und empfiehlt auszusortieren, was der Kundin nicht steht: Hüfthosen zum Beispiel. Die schmeicheln Frauen eben nicht, wenn der Wohlstand sich in der Körpermitte sammelt. Ebenso wenig wie ausladende Röcke und zu kurze Shirts.
„Oft sind die Kleiderschränke zu schwarz“, sagt die Beraterin. In Schwarz sieht man immer gut aus, da kann man nichts falsch machen – das sei ein Trugschluss. „Vor allem helle Typen sehen in schwarzen Outfits schnell blass und hart aus“, sagt sie. Nichts gegen einen dunklen Blaser, doch den Hals sollte ein Kragen oder ein Tuch in freundlich-frischem Ton umspielen, denn der strahlt ins Gesicht ab. „Kalte, dunkle Farben lassen Fältchen stärker hervortreten, als den meisten lieb ist.“
Carolin Boss hat noch keine Falten. Blusen und Blaser geschickt zu kombinieren war nicht ihre wichtigste Übung, als sie Julia Naumann zurate zog. „Ich hatte sie von der Stil- und Typberatung noch gut in Erinnerung und bat sie, mich beim Einkauf zu begleiten.“ Die Bewerbungsgespräche rückten näher. Bevor sich die beiden Frauen zum Shoppen trafen, fragte Julia Naumann die Wünsche der Kundin ab: Für welchen Anlass sie ein Outfit suche, in welcher Konfektionsgröße und welches Budget für die neuen Sachen sie einplane. „Ich gehe zunächst allein los und sondiere vor, schaue, welche Geschäfte und welche Kollektionen geeignet sind, und lasse auch einige Teile weglegen“, sagt die Personal Shopperin. Ganz wichtig ist ihr dabei, die Kundin nicht zu verkleiden und als Typ zu verändern. Damit fühlt sich keiner wohl, und der neue Look hätte kein langes Leben. Drei bis vier Läden genügen ihrer Erfahrung nach, um auf Shopping-Tour mit der Kundin das Gesuchte zu finden und mit vollen Einkaufstüten heimzugehen.
Für eine schwarze Stoffhose und eine cremefarbene Bluse entschied sich Carolin Boss schließlich. Eine gute Anschaffung, nicht nur für Vorstellungsgespräche. Helle Bluse, schwarze Hose, schwarzer Rock, ein Kleid, ein Blaser in gedeckter Farbe, ein Paar schwarze Pumps und ein Trenchcoat gehören zur Grundausstattung einer Frau, findet Julia Naumann. Wer sie im Schrank hat, den bringt kein plötzlich anberaumter Business-Termin in Verlegenheit.
Nicht nur Frauen setzen auf ihre Unterstützung. „Auch mit Männern gehe ich shoppen“, sagt sie. Die seien weder komplizierter noch weniger entschlussfreudig als Frauen, aber sie überziehen ihr Budget ungerührter als die Damen. Wenn sie mit Herren losgeht, um eine Hose, ein Hemd und einen Pullover zu suchen, gehen sie nicht selten mit der dreifachen Beute aus dem Geschäft.
Carolin wird legere Kleidung auch künftig vorziehen. „Aber ich kaufe nun auch mal einen Rock oder eine farbige Bluse und habe einen Blick für Neues.“