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Unwetter spült Straße weg

Etliche Sadisdorfer leben seit dem Sonntag wie auf einer Insel. Doch gibt es einen Lichtblick.

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Von Regine Schlesinger

Der Sadisdorfer Steffen Dietrich hatte sich am Sonntagmorgen nach der Nachtschicht schlafen gelegt. Doch schon kurze Zeit später weckte ihn ein heftiges Gewitter und das laute Prasseln von Hagelkörnern. Danach ging alles sehr schnell. Beim Blick aus dem Fenster sah er, dass Wasser angerauscht kommt – direkt auf das Haus zu. „Ich konnte nur noch schnell im Keller die Türen aufmachen, damit es durchlaufen kann“, schildert er.

Die Sadisdorferin Romy Straube (vorn) war am Sonntag in ihrem Wohnhaus von den Fluten eingeschlossen.
Die Sadisdorferin Romy Straube (vorn) war am Sonntag in ihrem Wohnhaus von den Fluten eingeschlossen.
Der Sadisdorfer Ortsvorsteher Michael Geisler steht im Keller des Landmarktes inmitten von Eisblöcken aus Hagelkörnern.
Der Sadisdorfer Ortsvorsteher Michael Geisler steht im Keller des Landmarktes inmitten von Eisblöcken aus Hagelkörnern.

Am Tag darauf leben er und seine Frau Andrea mitten in Sadisdorf wie auf einer Insel. Das Grundstück liegt zwar nur wenige Meter von der Hauptstraße, der B 171, entfernt. Doch dorthin ist momentan kein Durchkommen mehr. Die Anliegerstraße, über die Dietrichs und weitere Familien auf die B 171 kommen, gleicht einer Kraterlandschaft. Die Grundstückszufahrt von Dietrichs haben die Wassermassen einfach weggespült und ein metertiefes Loch ins Erdreich gerissen.

Hilfe kommt schnell

Mit seinem Auto zur Arbeit fahren kann Steffen Dietrich vorerst nicht. Das Auto hat in der Garage die Flut zwar gut überstanden, kommt aber jetzt dort nicht heraus. Zum Glück hat der Sadisdorfer einen verständnisvollen Chef. „Er hat mir eine Woche frei gegeben“, sagt Steffen Dietrich. Wie der Schmiedeberger Amtsverweser Ulrich Kretzschmar (CDU) gegenüber SZ erklärte, sollen die lädierten Straßen so schnell wie möglich provisorisch wieder hergestellt werden, damit sie befahrbar sind. Für die richtige Reparatur hofft die Gemeinde auf die Hilfe des Freistaates.

Eine halbe, vielleicht eine Dreiviertelstunde tobte das Wasser durchs Grundstück. Hilfe kam zum Glück schnell. Verwandte packten mit an, um das Wasser aus dem Keller zu bekommen. Auch gestern hatten Dietrichs noch Helfer beim Aus- und Aufräumen. Ein großer Berg Sperrmüll liegt vor dem erst 2000 bezogenen Haus. Andrea Dietrich tut es am meisten um die Familienfotos leid, die sie im Keller aufbewahrt hatte. „Trotzdem hatten wir noch Glück, andere sind schlimmer dran“, sagt sie. Ein Satz, der gestern oft in Sadisdorf zu hören war. Zwar hat das Unwetter viele getroffen und bei etlichen sitzt der Schock noch tief. Doch kaum jemand jammert. Auch Torsten Näke nicht, Nachbar von Dietrichs. Auch er hofft, dass die Straße schnell wieder in Ordnung kommt. Er war mit seinem Sohn allein im Haus, als das Unwetter hereinbrach. „Da hat man schon Panik“, sagt er, möchte aber vor allem einen Dank an alle loswerden, die rasch zur Stelle waren und geholfen haben.

Wie aufs Stichwort kommt ein Mann raschen Schritts heran und ruft schon von Weitem: „Braucht ihr noch Hilfe?“ Er sei aus Oberpöbel, sagt er. Dort ist nicht viel passiert, deshalb wolle er gerne woanders helfen. Bei der Frage nach seinem Namen winkt er ab. Der sei doch nicht wichtig, sagt er und stiefelt zum nächsten Nachbarn weiter. Auch bei Näkes sind noch genügend freiwillige Helfer da. Dass am Sonntag die Sadisdorfer Feuerwehrleute nicht mit anrücken konnten, weil sie einen Hochwassereinsatz in der Sächsischen Schweiz leisteten, war Pech. Zum Glück kam rasch Ersatz. Feuerwehrleute aus Darmstadt packten in Sadisdorf mit an. Sie hatten zuvor in Dresden gegen die Fluten gekämpft, sagt Ortsvorsteher Mirko Geißler. Auch die Agrargenossenschaft half mit schwerem Gerät, verstopfte Brücken und Durchlässe wieder freizubekommen.

Obwohl das Unwetter auch sein eigenes Grundstück nicht verschonte und dort viel Arbeit wartet, ist er von Haus zu Haus unterwegs, um die Schäden zu erfassen und der Gemeindeverwaltung einen ersten Überblick geben zu können. Erwischt hat es auch den Landmarkt. Die Kühlgeräte im Keller sind außer Betrieb. Sie liegen unter einer dicken Hagelschicht, hereingespült vom Wasser. Einen solchen Hagel habe er noch nicht erlebt, sagt Mirko Geißler, und auch ältere Sadisdorfer, mit denen er gesprochen hat, können sich an ein solches Naturereignis nicht erinnern.

Obwohl ihre Kühltheke nicht funktioniert, will Landmarktbetreiberin Annett Höbelt heute, von 8 bis 12 Uhr, zumindest wieder frische Brötchen und alles andere, für das keine Kühlung nötig ist, anbieten. Vorsichtshalber hat sie noch etliche Glühbirnen geordert. „Man kann ja nicht wissen, was jetzt so alles gebraucht wird“, sagt sie. Für Ortsvorsteher Geißler ist es das Wichtigste und zugleich ein kleines Wunder, dass nahezu alle Einwohner das verheerende Unwetter heil überstanden haben, obwohl es in dem einen und anderen Fall schon knapp zuging.

Gleich mehrere Schutzengel hatten auch Romy Straube und Marco Braun sowie ihr neun Monate altes Töchterchen Jessica. Als das Wasser fast bis zur Decke der erst seit Kurzem leeren Wohnung im Untergeschoss ihres Wohnhauses stand, suchten sie ihr Heil in der Flucht durch die Fluten hindurch. Bange Minuten für Sylvia Braun, die Mutter des jungen Mannes. „Wir standen oben an der Straße und konnten nichts machen“, sagt sie. Zum Glück ging alles gut. Doch wann die junge Familie wieder in ihre Wohnung zurück kann, ist offen. Ein Statiker muss jetzt prüfen, inwieweit dieses und weitere Häuser in Sadisdorf Schäden davongetragen haben.