Von Jürgen Müller
Franziska Blumauer hat es befürchtet: Die Dahlien in den Töpfen sind alle erfroren. Und ein Blick aufs Beet bringt die traurige Gewissheit: die Tomaten auch. „Wenigstens die Blumenkübel hätten wir reinnehmen sollen“, sagt Ronny Görner, ihr Lebensgefährte. Es waren Nachtfröste angekündigt. Dass es auch in Diera noch mal so kalt werden würde, hatten die beiden nicht erwartet. Lehrgeld für die Hobbygärtner.
Seit vier Jahren wohnen die Krankenpflegerin aus Dresden und der IT-Systemadministrator aus Weinböhla in Diera. Zuvor lebten sie in Coswig. Dort gab’s Probleme mit der Wohnung. „Die Häuser hatten ein neumodisches Erdwärmeprojekt. Das hat bloß nicht funktioniert. Weihnachten hatten wir 16, 17 Grad Celsius in der Wohnung. Da haben wir uns nach was anderem umgesehen“, sagt Ronny Görner. Und sie wurden in Diera fündig, bezogen eine Wohnung in einem Vierseithof am Lehnsgut. Allerdings ohne Balkon oder Terrasse. „Das hat uns schon ein bisschen gewurmt“, sagt der 32-Jährige. Eher zufällig machte ihn ein Nachbar darauf aufmerksam, dass es in Diera eine Kleingartenanlage gibt, quasi direkt vor der Haustür. „Ein Jahr lang haben wir hier gewohnt und nichts davon gewusst. Weiter als bis zur Fleischerei sind wir doch nie gekommen. Dann ist ja Sackgasse, da fährt keiner freiwillig rein“, sagt er. Nachdem sie es wissen, gehen sie freiwillig rein, schauen sich die Anlage an. „Anfangs waren wir ja skeptisch, weil die Gärten keinen Stromanschluss haben. Aber wir wussten, was uns erwartet. Fernsehen können wir schließlich zu Hause“, sagt Görner. Schnell entscheidet sich das Paar, einen Garten zu pachten. Von der Vorbesitzerin übernehmen sie das Inventar, unter anderem eine Holzlaube, für ’nen Appel und ein Ei. Streichen das Haus, legen die Terrasse neu an, errichten ein Gewächshaus, legen Beete und einen Teich an. Die Flügel einer bunten Windmühle drehen sich. „Bisschen kitschig ist es ja“, sagt Franziska Blumauer und lacht. Egal, für die beiden ist das hier das Paradies auf 350 Quadratmetern. Und es soll noch mehr werden. Die beiden wollen einen ebenso großen Nachbargarten ebenfalls pachten.
Beide sind mit einem Garten groß geworden. „Wir sind fast jeden Tag hier draußen, auch im Winter, sei es zum Vögelfüttern oder zum Grillen im Schnee“, sagt die 23-Jährige. Die Neu-Dieraer gehören zu den Jüngsten in der Gartensparte, die es seit 1947 gibt. Ein Drittel der Pächter ist unter 35 Jahre alt, ein Drittel im Mittelalter und ein weiteres Drittel über 60 Jahre alt. Über 50 Parzellen, verteilt auf rund 20 000 Quadratmeter, prägen das Bild der Anlage. Ein Wasseranschluss je Parzelle ist vorhanden. Strom liegt nicht an. „Man kann jedoch bequem mit Solarlampen oder kleineren Camping-Solaranlagen Dinge wie Gartenteichpumpen oder Lichtquellen günstig betreiben“, sagt Ronny Görner. Und auch um das Bier im Sommer kühlzuhalten, hat er einen kleinen Trick. Das wird einfach im kühlen Lößboden verbuddelt. Not macht eben erfinderisch.
Das Werben zahlt sich aus
Auch die Kosten, gerade für Familien, sind absolut erschwinglich. Die Sparte hat jetzt gegen den Mitgliederschwund viel getan, unter anderem über 100 Quadratmeter beräumt und zurückgebaut. Eine neue Internetseite gemacht, Werbung auf Ebay-Kleinanzeigen geschaltet. Dieses Jahr wird eine neue Wasserleitung gelegt, da die jetzige doch in die Jahre gekommen ist. „Uns ist es gelungen, insgesamt fünf Gärten binnen sechs Monaten neu zu verpachten, was durchaus nicht schlecht ist“, sagt der Dieraer. Die Pächter kommen nicht nur aus dem Ort, sondern auch aus Meißen, Riesa, Dresden, Weinböhla oder Coswig. Dennoch: Von den 52 Gärten stehen derzeit zehn leer. Überwiegend sind sie ablösefrei zu haben, weil sie brachliegen. Im Gegensatz zu anderen Sparten wie in Lommatzsch stehen die Dieraer gut da. Dort ist jeder dritte Garten leer. Diese brachliegenden Gärten sind das Problem. Denn die Gemeinde verlangt seit einiger Zeit auch für diese Flächen Pacht. Insgesamt sind das 700 Euro im Jahr, sagt Ronny Görner. Die Kosten werden unter den Pächtern aufgeteilt, was nicht nur für Freude sorgt.
Für die beiden Dieraer ist das jedoch kein Thema. „Wir haben hier alle Freiheiten und Möglichkeiten, außerdem sind die Lage und der Ausblick herrlich‘“, sagt Franziska Blumauer. Sie und ihr Lebensgefährte machen auch Urlaub im Garten, dieses Jahr wird das wieder so sein. Übernachten können und dürfen sie zwar hier nicht, aber auch das ist kein Problem. Ihre Wohnung liegt gleich um die Ecke.
Auch ansonsten sieht man es in der Anlage nicht so streng. Nadelbäume sind erlaubt, wenn sie nicht zu groß werden, und auch ein Pool kann aufgestellt, allerdings nicht fest eingebaut werden. Auch daran denken die beiden schon langsam. Denn demnächst werden sie zu dritt im Garten sein. Und buchstäblich wird neues Leben in die Anlage einziehen.