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Vaatz kritisiert Berliner Polizei wegen Corona-Demo-Zahlen

Der Dresdner CDU-Bundestagsabgeordnete wirft der Polizei "dreiste Kleinrechnung", sowie Regierung und Medien pauschales Versagen vor.

Von Annette Binninger
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Arnold Vaatz - hier auf einem Archivbild - kritisiert die Berliner Polizei wegen "Kleinrechnerei" der Teilnehmerzahlen an der Corona-Demo.
Arnold Vaatz - hier auf einem Archivbild - kritisiert die Berliner Polizei wegen "Kleinrechnerei" der Teilnehmerzahlen an der Corona-Demo. © Andreas Weihs

Berlin/Dresden. Anecken gefällt ihm. Mal so richtig politisch gegen den Strich zu bürsten, macht ihm Freude. Gerne auch mal provozieren. Dabei ist es in Sachsen in den vergangenen Jahren längst still geworden um das Polit-Urgestein. Arnold Vaatz sitzt seit 1998 für die Dresdner CDU im Bundestag. Und das nur noch ein Jahr, denn der einstige DDR-Bürgerrechtler will zur nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten, das hat er Parteifreunden bereits mitgeteilt. Doch auf den letzten Metern holt der 64-Jährige, der auch Vize der CDU-Bundestagsfraktion ist, nochmal kräftig aus. Dabei "flirtet" er gefährlich-offensichtlich mit Corona-Leugnern und irrlichtert platzgreifend im rechtspopulistischem Raum.

Seit einem Jahr ist das bereits bei Vaatz zu beobachten. Er begibt sich dabei auch in ein Umfeld, das andere eher meiden – aus Sorge, in die falsche, gar in die so genannte rechte Ecke gestellt zu werden. Vaatz ist über solche Sorgen längst hinweg. Er gefällt sich in dieser Rolle. Das hat er schon mehrfach bei Auftritten und mit Äußerungen bewiesen. Und so holt er auch kräftig in einem am Mittwoch online veröffentlichtem Gastbeitrag für „Tichys Einblick“ aus – pauschal gegen Regierung, Medien und Polizei.

Mit scharfen Worten kritisiert Vaatz den Umgang mit Corona-Demonstranten am Samstag in Berlin. Der Polizei wirft er eine „dreiste Kleinrechnung“ der Teilnehmerzahl vor. Dies entspräche „in etwa dem Geschwätz von der ,Zusammenrottung einiger weniger Rowdys‘, mit der die DDR-Medien anfangs die Demonstrationen im Herbst 1989 kleinrechneten“, schreibt Vaatz. „Der gefährlichere Versuch, die Straßen leer zu kriegen, war damals die Unterstellung, die Demonstranten handelten im Auftrag von CIA und BND“, zieht Vaatz einen Vergleich zur DDR-Zeit.

Die Berliner Polizei hatte die Teilnehmerzahl bei der Corona-Demonstration am vergangenen Samstag auf rund 20.000 geschätzt. Dabei beruft sie sich auf Zählungen und Schätzungen aus der Hubschrauber-Perspektive, wie sie auch bei anderen Großveranstaltungen zum Einsatz kommen. Die Veranstalter und zahlreiche Teilnehmer beharren dagegen seit Tagen auf einer Zahl von 1,3 Millionen Teilnehmern, ohne dies belegen zu können.

"Glaubwürdigkeitsverfall"

Vaatz will aber auch nicht zu den „Corona-Leugnern“ gerechnet werden. „Ich halte die Festlegungen der Regierungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für richtig.“ Er ärgere sich, dass die vorangegangene Groß-Demo gegen Rassismus „allgemein gelobt und toleriert“, die Corona-Demo aber „allgemein verflucht“ werde. 

Corona-Regelverstöße dürften nicht „mit zweierlei Maß gemessen werden – gegenüber links einerseits und gegenüber rechts andererseits“. Sonst drohe die Glaubwürdigkeit von Regierung und Medien Schaden zu nehmen. „Uns einreden zu wollen, im Kampf für das Gute sei die Verbreitung des Virus akzeptabel, ist von der gleichen intellektuellen Qualität wie die Trump’sche Empfehlung, man solle sich Desinfektionsmittel spritzen.“ 

Regierung und Medien lernten von Monat zu Monat „mehr von der DDR. So habe der „Glaubwürdigkeitsverfall“ der Regierung mit der Maskenpflicht begonnen. „Nachdem es lange hieß, Masken nützten nichts – so lange es keine zu kaufen gab“, macht sich Vaatz lustig. „In der DDR streute die Partei: Bananen seien gar nicht so gesund.“

Zudem stellt sich Vaatz demonstrativ vor Demonstranten, denen vorgeworfen wird, sie müssten doch beachten, mit wem sie sich da auf die Straße stellten. Auch hier zieht er eine DDR-Analogie. „Der heutige Versuch, die Straßen leerzubekommen, besteht in der Warnung: Pass auf, mit wem du demonstrierst“, schreibt Vaatz. „Das ist die Drohung, als Nazi diffamiert und damit gesellschaftlich ruiniert zu werden“, schreibt Vaatz. „Bei Nazis war es Sippenhaft, im Deutschland von heute ist es Kollektivhaft.“

Nach seinem Ausstieg aus dem Bundestag will Vaatz nach eigenem Bekunden verstärkt als Briefmarken-Prüfer tätig sein. Er ist ausgebildeter Experte für Sachsen-Marken. Auf seinen provokanten Gastbeitrag hin gab es aus einer Partei bisher keinerlei feststellbare Reaktion. (mit hei)