Von Bernd Dreßler
Auch am Grenzübergang Seifhennersdorf-Varnsdorf fielen am 21. Dezember mit der Erweiterung des Schengener Abkommens die Grenzkontrollen weg. Für viele ist es immer noch ein ungewohntes Gefühl, an den Postenhäuschen einfach durchfahren zu können.
Vor 41 Jahren sah das völlig anders aus, da fuhr an diesem Übergang überhaupt niemand, die Grenze war noch geschlossen. Erst am 28.April 1967 öffneten sich an der Zollstraße in Seifhennersdorf die Schranken für den kleinen Grenzverkehr. Ein „Freundschaftsvertrag zwischen der CSSR und der DDR“ lieferte die rechtliche Grundlage. Zuvor war gut 20 Jahre die Staatsgrenze dicht, der Zweite Weltkrieg und seine Folgen hatten dafür gesorgt.
Umso mehr müssen die beiden Grenzorte die Öffnung der Schlagbäume herbeigesehnt haben. Über den 28. April 1967 schrieb das Seifhennersdorfer Aktiv für Ortsgeschichte im damaligen „Dorfspiegel“, der für Seifhennersdorf, Leutersdorf und Spitzkunnersdorf herausgegeben wurde: „Um der Eröffnungsfeierlichkeit beizuwohnen, trafen sich an diesem Tage die beiderseitige Schuljugend und zahlreiche Erwachsene unmittelbar an der Landesgrenze. Nach der zweisprachigen Ansprache fiel unter den Klängen der beiden Nationalhymnen das noch trennende Band. Varnsdorfer und Seifhennersdorfer Pioniere tauschten zum Zeichen einer gutnachbarlichen Freundschaft ihre Halstücher und überreichten Blumensträuße.“ Und an anderer Stelle heißt es: „Der sich nun zwischen den beiden dicht besiedelten Grenzgebieten entwickelnde Verkehr wird dazu dienen, sich persönlich näher zu kommen, und der Ansturm in diesen Wochen ist ein gewaltiger.“
Lange Rückstaus
Dass sich der Ansturm freilich vor allem auf den Einkauf bezog und eineinhalb Jahre später durch den Einmarsch sowjetischer Truppen zur Niederschlagung des Prager Frühlings noch einmal jäh unterbrochen wurde, bewerteten die Chronisten damals noch nicht. Es war von ihnen auch nicht vorauszusehen.
Fakt bleibt, dass sich der Seifhennersdorf-Varnsdorfer Übergang zu einem der frequentiertesten nach Tschechien entwickelte. Zu DDR-Zeiten, als es noch keine weiteren Übergänge im Südosten des Landes gab, stauten sich vor allem an Wochenenden und in der Ferienzeit die Pkw- und Busschlangen auf der zur Grenze führenden Zollstraße, ja mitunter war wegen des Rückstaus Seifhennersdorf unpassierbar. Man musste sich wohl oder übel einreihen und viel, viel Geduld mitbringen oder auf verkehrsschwächere Nachtzeiten setzen, um dem eventuell zu entgehen.
Gründlich und auch aufwendig waren die Kontrollen: Erst die Pässe, dann der Zoll, zunächst bei den deutschen, dann bei den tschechischen Grenzorganen. Das änderte sich erst 30 Jahre später, als man zu Jahresbeginn 1997 nur noch einmal zur Pass- und Zollkontrolle stoppen musste. „Die barackenähnlichen Gebäude auf der Varnsdorfer Seite waren geschlossen, und die Mitarbeiter der tschechischen Zollbehörde und Grenzpolizei kontrollierten gemeinsam mit den Beamten des deutschen Zollamtes und der Grenzschutzstelle an den neu errichteten Anlagen auf deutschem Territorium“, hieß es vor zehn Jahren in der Sächsischen Zeitung. Ein entsprechender Vertrag wurde kurz zuvor unterzeichnet.
Inzwischen war allerdings der zu DDR-Zeiten übliche Ansturm auf die Grenze abgeflaut, die Wende hatte dafür gesorgt. Nur am Beginn oder am Ende von Schulferien und zum Jahreswechsel wurde man mitunter an die Grenzrückstaus der Vergangenheit erinnert.
Weitsichtige Gemeindeobere
Nicht vergessen werden sollte die Straße, auf der das alles passierte. Ist doch der Übergang an der Seifhennersdorfer Zollstraße historisch gesehen noch ein recht junger. Erst Ende des 19. Jahrhunderts war mit dem Bau begonnen worden. Die wachsende Industrialisierung und der stetig zunehmende Verkehr in den beiden Grenzorten Varnsdorf und Seifhennersdorf führten dazu (siehe Kasten). Die damaligen Gemeindeoberen hatten damit viel Weitsicht bewiesen.
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Wolfgang Knösche aus Leutersdorf.