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"Eine geschichtsvergessene Tat"

Zwei Verbände verurteilen den Diebstahl eines Gedenksteins an Naziverbrechen in Halbestadt. Für sie ist das kein Zufall.

Von Dirk Schulze
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"Die Toten mahnen" - Ein Bild des Gedenksteins im Königsteiner Ortsteil Halbestadt vor seinem Diebstahl.
"Die Toten mahnen" - Ein Bild des Gedenksteins im Königsteiner Ortsteil Halbestadt vor seinem Diebstahl. © NaturFreunde Sachsen e.V.

Der Verein Naturfreunde Sachsen sowie der Verband der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) haben den Diebstahl des Gedenksteins an einen NS-Gegner in Halbestadt verurteilt. Die Gedenktafel an der heutigen Familienoase, die an die Vergangenheit des Gebäudes als ein frühes Konzentrationslager erinnert, ist in der Zeit zwischen dem 17. April und dem 20. April verschwunden. Für den Naturfreunde-Verein ist das kein Zufall. 

"Der Zeitpunkt des Diebstahls scheint nicht zufällig, da in der Woche vor Ostern im Jahr 1933 die SA in Halbestadt in einen Blutrausch geriet, der allen Häftlingen als besonders fürchterlich im Gedächtnis blieb", schreibt die Landesvorsitzende Almut Thomas. "In dieser Zeit wurde auch Fritz Gumpert auf bestialische Weise zu Tode gequält." Gumpert war ein Kommunist und Antifaschist aus Heidenau. Er starb in der Nacht vom 15. auf den 16. April 1933. In anderen Quellen wird der 23. April als Todesdatum genannt. 

Die Naturfreunde, eine aus der Arbeiterbewegung hervorgegangene Wandervereinigung, hatte das im 19. Jahrhundert errichtete Fabrikgebäude am Elbufer im Jahr 1925 erworben und ausgebaut. Es sollte für Wochenendaktivitäten, Jugendfreizeiten und Veranstaltungen dienen. Doch bereits im März 1933 wurde das Haus durch die Nazis enteignet und zum Konzentrationslager umgebaut. Den größten Teil der Häftlinge machten Mitglieder von KPD, SPD, Sozialistische Arbeiter Partei (SAP), Kommunistischer Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) und anderer linker Parteien, Organisationen und Gewerkschaften aus.

Auf der Website gedenkplaetze.info, die vom Pirnaer Verein Akubiz betrieben wird, ist dieser nur wenige Monate dauernde Teil der Geschichte des Hauses mit mehreren ausführlichen Zeitzeugenberichten dokumentiert. Demnach kamen abends auch immer wieder SA-Leute unter anderem aus Königstein, Wehlen und Struppen in das Lager, um dort "nach Feierabend" Häftlinge zu misshandeln.

Instandsetzung gefordert

Auch der Verband der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) verurteilt den Diebstahl scharf. "Wer im 75. Jahr nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges, noch dazu im Kontext des 20. April als in der rechten Szene symbolhaften Datum, einen Gedenkstein an Widerstandskämpfer stiehlt, ist nicht nur ein Dieb, sondern hat eine geschichtsvergessene Tat begangen", sagt Verbandssprecher Silvio Lang. 

Der VVN-BdA geht von einer politischen Motivation aus. "Dafür sprechen der Aufwand, den der oder die Täter sich gemacht haben, der gestohlene Gegenstand und der Kontext des Datums der Tat", erklärt Lang. Er erwarte, dass der Diebstahl von der Polizei entsprechend eingestuft werde und hoffe ich auf einen schnellen Ermittlungserfolg, damit der oder die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können. 

Beide Vereine sprechen sich dafür aus, dass der als Kulturdenkmal gelistete Gedenkstein ersetzt wird und sehen dafür die Stadt Königstein in der Pflicht. "Wir fordern, dass die Stadt Königstein sich für die Instandsetzung des Gedenkortes einsetzt", sagt Naturfreunde-Landesvorsitzende Almut Thomas.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes würde dies sogar finanziell unterstützen. "Sollte die Gemeinde Königstein eine Wiedererrichtung des Gedenksteins vornehmen, prüfen wir gern, ob der VVN-BdA Sachsen e.V. sich an den Kosten in angemessener Weise beteiligen kann", erklärt Landessprecher Silvio Lang. 

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