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Vergebliche Suche

In der Reichenberger Kirchgemeinde geht die Sorge um, dass Schatzsucher in dem gerade fertig sanierten Gotteshaus Schaden anrichten könnten. Die Wettiner-Schätze lockten.

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Von Sven Görner

Gerold Rahrisch steht vor der massiven Eingangstür der schmucken Reichenberger Dorfkirche. „Im vergangenen Jahr wurden nun auch der Putz, die Sandsteingewände und die großen Blei- und Buntglasfenster saniert.“ Vor allem um die macht sich der Ur-Reichenberger Sorgen, seit eine Dresdner Tageszeitung Vermutungen über möglicherweise noch in der Kirche verborgene Schätze der Wettiner veröffentlichte. Diese, so die Befürchtungen in der Reichenberger Kirchgemeinde, könnten ungebetene Gäste anlocken.

Mit einem Sicherheitsschlüssel öffnet Rahrisch eines der Türschlösser. „Eigentlich war doch längst Gras über der Geschichte gewachsen und nun wird alles wieder aufgerührt“, bricht es aus dem 70-Jährigen heraus. Die „Geschichte“ beginnt am Ende des Zweiten Weltkrieges und endet 1951 mit der Verurteilung des Reichenberger Pfarrers Heinrich Herrmann. Als Jugendfreund des letzten Wettiners auf Schloss Moritzburg, Ernst Heinrich Prinz von Sachsen, hatte er mit anderen Reichenbergern dafür gesorgt, dass ein Teil des Familienschatzes der Wettiner zunächst vor dem Zugriff der Roten Armee in Sicherheit gebracht wurde. In der Kirche und auf dem Gelände um das Gotteshaus.

Rahrisch, der im Haus neben dem Kirchengrundstück aufgewachsen ist und als Ortschronist später auch oft mit dem 1986 verstorbenen Pfarrer gesprochen hatte, weiß zu berichten, dass dieser manchmal über die damaligen Ereignisse gesprochen hat. „Im Ort war das kein Geheimnis“. Spätestens seit Georg Kretschmann 1995 sein Buch „Das Silber der Wettiner“ veröffentlichte, konnte jeder die abenteuerliche Geschichte nachlesen. Wagenladungen mit kostbarem Porzellan, Gold- und Silbergegenstände aber auch Gemälde und andere wertvolle Dinge waren in nächtlichen Transportaktionen und teilweise noch nach Kriegsende von Moritzburg nach Reichenberg geschafft worden.

Der Großteil kam auf den geräumigen Dachboden der Kirche, anderes sei in der Orgel versteckt worden. Auch ein ehemaliges Toilettenhäuschen diente als Depot, weitere Teile wurden an der Mauer zum Pfarrgrundstück in der Erde vergraben. Bei Kretschmann kann man lesen, dass sich die deutschen Behörden in Sachsen mit denen in Berlin und dem sowjetischen Geheimdienst einen regelrechten Wettlauf um das Auffinden und Sicherstellen dieser Dinge lieferten. Demnach waren die Schätze vom Dachboden 1947 zunächst ins Albertinum nach Dresden geschafft, aber schon kurz darauf letztlich doch abtransportiert worden. Anfang 1951 wurden schließlich weitere Depots mit Kunstgütern des ehemaligen Königshauses auf dem Kirchengelände entdeckt. Pfarrer Herrmann wird noch im gleichen Jahr zu viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner vorzeitigen Entlassung aufgrund einer Amnestie kehrt er auf die Pfarrstelle zurück.

Rahrisch ist sich sicher, dass damals lange und gründlich gesucht wurde. „Die Wettiner-Schätze sind längst weg.“ Die alte Orgel, eines der Verstecke, gibt es zudem nicht mehr. „Die jetzige stammt aus Trachenau bei Borna und wurde erst 1987 hier eingebaut und geweiht“, erzählt er weiter. „Und die Bodenplatten“, sagt Rahrisch und deutet nach unten, „sind alle bei der Innenraumsanierung angehoben und darunter mit Sand neu befüllt worden.“

Und auch beim Gang unters Dach wird deutlich, dass Schatzsucher hier schlechte Karten haben. Frisch aufgemauerte Ziegel, und fast überall neues Holz bestimmen das Bild. Wegen Schwammbefall war dort 2004/05 alles gründlich untersucht und anschließend fast komplett erneuert worden. „Außer Mäusedreck wurde dabei nichts gefunden“, ergänzt Rahrisch. Albrecht Nollau, der Superintendent für den Kirchenbezirk Dresden, sagt daher auch: „Die Kirche wurde in den letzten Jahren grundhaft saniert, ich halte es daher für absolut unwahrscheinlich dort Schätze zu finden. Aber wir fühlen uns verantwortlich für diese um 1200 gebaute schöne alte Kirche.“

Darum seien in Absprache mit der Kirchgemeinde auch alle Schlösser inspiziert worden. „Zudem wurden alle Wertgegenstände entfernt“, sagt Nollau. „Das Kruzifix“, so erinnert sich Rahrisch, „wurde schon bei einem Einbruch nach der Wende vom Altar gestohlen.“