Von Katja Gläss
Vor 60 Jahren verdrehte das Schönborner Postmädchen Irmgard Hiller dem Schlesier Martin Grüttner den Kopf: Heute feiern beide den 60. Hochzeitstag. „Wir haben uns gesehen und kennen gelernt, der erste Blick genügte“, sagt Irmgard Grüttner.
Liebe auf den ersten Blick
Dabei fing die Geschichte der beiden gar nicht in Schönborn, sondern in Kulmbach an. Dort wurde Martin Grüttner 1945 mit schweren Kriegsverletzungen in ein Lazarett eingeliefert. „Ein Bettnachbar war der Landwirt Martin Haufe aus Schönborn. Er sagte, wenn ich einmal nicht wisse wohin, könne ich nach Schönborn kommen“, erzählt der heute 89-jährige Senior. Im April 1946 war es soweit. Martin Grüttner wollte Haufes Mutter einen Besuch abstatten. „Schwarz, über die grüne Grenze ging es in die damals sowjetische Zone“, erzählt er. Das schmucke Dorf habe ihm auf Anhieb gefallen, weil es seinem Heimatdorf in Schlesien sehr ähnelte. „Es war aber nicht nur die Frühlingssonne, die neue Akzente setzte, auch die verloren gegangene Jugend meldete sich wieder“, sagt Martin Grüttner. Bald trafen sich beide. „Die Postchristel Irmgard, die mir die ersten Nachrichten meiner vertriebenen Angehörigen überbrachte, hatte es mir sofort angetan“, gesteht er.
Beim Tanz im Gasthof kam man sich näher. Per Brief – Martin Grüttner war damals noch nahe Gröbers bei Halle beschäftigt – machte er mit dem Schwiegervater in spe „alles klar“. Im Advent des folgenden Jahres heirateten sie.
Unwägbarkeit überwunden
Bis heute sind die beiden Schönborner glücklich miteinander. Auch schwere Zeiten überstanden sie gemeinsam. „Ohne Probleme geht es nie. Das muss man ausbügeln – das fehlt heute vielen jungen Paaren“, sagt Martin Grüttner. „Man muss Freud und Leid miteinander teilen“, ergänzt Ehefrau Irmgard.
46 Jahre lang führte Irmgard Grüttner die Poststelle in der Ortschaft, war als Austrägerin wie auch im Innendienst beschäftigt. Die Poststelle lag mit im Wohnhaus. Martin Grüttner, ein leidenschaftlicher Sänger, machte bei Schwiegervater Paul Hiller eine Tischlerlehre. „Das hat fein geklappt“, sagt Irmgard Grüttner. Ausgelastet waren beide mit der Arbeit immer. Etwas bedauern beide es heute, dass wenig Zeit für die Freizeit oder gemeinsame Urlaube blieb. Der schönste – in Österreich – ist beiden noch im Gedächtnis. „Den gab es zum 80. Geburtstag.“
Den Fleiß und ihre Wirtschaftlichkeit habe er immer an seiner Frau geschätzt, betont Martin Grüttner. „Manchmal gingen die Meinungen aber auch auseinander“, sagt er. Sie dagegen ist stolz, dass sie sich durch alle Unwägbarkeit durchgerungen haben.
Gemeinsam haben sie zwei Töchter – und neben vier Enkeln inzwischen auch fünf Urenkel. Sie und viele andere werden heute als Gratulanten vor der Tür stehen. Am morgigen Sonnabend findet die Einsegnung in der Schönborner Kirche statt.