Verschwindet die Zuckerrübe?

Döbeln. Seit mehr als einhundert Jahren wird sie auf sächsischen Feldern angebaut und geerntet. Doch die Zuckerrübe, einst als „Weißes Gold“ bezeichnet, könnte schon bald von den Äckern in der Region Döbeln verschwinden.
„In diesem Jahr werden wir im April auf 67 Hektar Zuckerrüben legen. Geerntet wird ab September bis Dezember“, berichtet Catherine Pabst, Leiterin Pflanzenbau in der Gadewitzer Feldfrucht GmbH. Ob sich das jedoch auch im darauffolgenden Jahr noch lohnt, ist fraglich. „Wir werden darüber nachdenken müssen, die Anbauflächen zu verkleinern oder den Anbau sogar ganz aufzugeben“, ergänzt sie.
Etwa 80 bis 90 Tonnen erntet der Großweitzschener Agrarbetrieb jährlich. Per Lkw wird die Hackfrucht in die rund 50 Kilometer entfernte Zuckerfabrik nach Brottewitz bei Oschatz zur Verarbeitung gebracht. Denn in Sachsen gibt es bereits seit 2002 keine Zuckerfabrik mehr.
Nun hat der Konzern Südzucker angekündigt, die Fabrik im brandenburgischen Brottewitz im Jahr 2020 schließen zu wollen. Das bedeutet für insgesamt 70 Anbaubetriebe in der Region Mittelsachsen, dass sie ihre Ernte künftig in die Fabrik nach Zeitz transportieren müssten.
Doch der Weg bis dorthin ist mit etwa 100 Kilometern doppelt so lang. „Zwar hat uns der Südzucker-Konzern, mit dem wir einen Liefervertrag und eine -quote vereinbart haben, zunächst versprochen, die Kosten für den Transport würden für uns nicht steigen. Aber so richtig daran glauben kann ich nicht“, sagt Catherine Pabst. Somit wird sich der Anbau der Feldfrucht für die allermeisten Betriebe künftig wohl kaum mehr lohnen und sie wird von den Äckern verschwinden.
Gegen die Schließungspläne regt sich überregional Widerstand. Die Landwirte in der Oschatzer Region haben in der vergangenen Woche demonstriert. Und auch der Verband Sächsisch-Thüringischer Zuckerrübenanbauer, in dem fast alle der insgesamt 84 mittelsächsischen Betriebe organisiert sind, kritisiert die Pläne.
Verbandschef Christian Beyer sagt dazu: „Sollte die Fabrik in Brottewitz geschlossen werden, hätte das nicht nur direkte Auswirkungen auf die Lieferanten aus den Landkreisen Mittelsachsen und Meißen, sonders auch auf alle Anbauer im Verbandsgebiet von Mühlhausen bis Görlitz.“ Diese ließen sich zum aktuellen Zeitpunkt aber noch nicht einschätzen, da viele Faktoren Auswirkungen hätten, nicht zuletzt auch die Entscheidungen der Zuckerrübenanbauer.
„Mit der Schließung des Standortes Brottewitz wird es für die bisher dorthin liefernden Rübenanbauer schwierig, mit Produzenten in der Nähe anderer Zuckerfabriken konkurrieren zu können“, macht auch Karin Bernhardt, Pressesprecherin im Sächsischen Landesamt für Umwelt Landwirtschaft und Geologie, deutlich.
Für die Agrarbetriebe seien dann alternative Verwertungsmöglichkeiten in der Nähe notwendig, wie beispielsweise zu Biogas, Ethanol, Futtermittel und Stärke. „Aber auch aus ackerbaulicher Sicht würde eine sehr wertvolle Blatt- beziehungsweise Sommerfrucht in den Fruchtfolgen verloren gehen“, gibt sie zu bedenken.
Grund für die Schließungspläne der mehr als 100 Jahre alten Fabrik in Oschatz ist der niedrige Zuckerpreis. Im weltweiten Markt können deutsche Zuckerproduzenten kaum mit den Dumpingpreisen beispielsweise aus Brasilien mithalten.
Der Ausstieg aus dem EU-Quotensystem führte zu liberalisierten Märkten. Das derzeitige Überangebot auf dem Zuckermarkt mit Rekordernten 2016 und 2017, hatte 2018 einen Preisverfall für Zucker zur Folge: Etwa 200 Euro weniger wird für eine Tonne gezahlt. „Ebenso hatte die Dürre 2018 europaweit starke Auswirkungen auf die Erträge.
In Sachsen sanken die Erträge bei Zuckerrüben im Vergleich der letzten zehn Jahre um 24 Prozent“, erklärt Bernhardt. Ob und in welchem Maß dies zur Normalisierung der Preise führen könne, sei noch offen.
Zudem sagt Verbandschef Christian Beyer: „Die wirtschaftliche Stabilität des Südzucker Konzerns erscheint aus unserer Sicht in der aktuellen Situation noch nicht gefährdet.“ Die geplante Fabrikschließung sei die letzte Option, zu der es derzeit aber keinerlei Veranlassung gebe.
Lesen Sie dazu auch: Als die Rübe noch mit der Bahn fuhr
Mehr lokale Nachrichten unter: