Von Bernd Goldammer
Wer wissen möchte, was Krieg bedeutet, soll einen der vielen Soldatenfriedhöfe besuchen“, hat Jean-Claude Juncker einmal gesagt. Dieser Satz ist Radebergs Bürgermeister Gerhard Lemm zum Leitspruch geworden, seit er federführend die Gedenkveranstaltung im Kaiserhof gestaltet. Das Motto der Deutschen Kriegsgräberfürsorge „Versöhnung über den Gräbern“ betrachtet er als wichtigste Zukunftsarbeit.
Rede geht unter die Haut
Etwa 30 Personen waren zur Gedenkveranstaltung in den Kaisersaal gekommen. Oberkirchenrat Dieter Auerbach hielt eine Gedenkrede, die tief unter die Haut ging. Als Sechsjähriger traf ihn die Nachricht vom Tode seines Vaters mit furchtbarer Wucht. Als junger Mann fuhr er nach dem Krieg mit seinem Fahrrad bis zum Soldatengrab des Vaters im französischen Sedan. Seine Tränen hat er nicht beschrieben, aber sie waren in seinen Worten nachzufühlen. Auch deshalb, weil er diesen Weg später mit seiner Tochter zurücklegte. „Warum haben die Menschen das mitgemacht?“, hat seine Tochter gefragt, als sie an den Grabkreuzen las, dass die meisten Männer hier um die 20 Jahre alt waren. Plötzlich wurde klar, wie generationsübergreifend sich das Leid offenbarte. Dieter Auerbach vermisste den Vater, auch seiner Tochter wird der Großvater gefehlt haben.
Russisch, Deutsch, Französisch, Englisch: Die Verlierer dieses Krieges klagten in vielen Sprachen. Menschenverluste lassen sich in Zahlen nicht darstellen. Europas Weg der Versöhnung war die einzig richtige Schlussfolgerung auf die Millionenliste der gefallenen Soldaten und Zivilisten. Auch Radebergs stellvertretender Bürgermeister Christoph Heinze erinnerte gestern an die unfassbaren Dimensionen menschlichen Leides, die Krieg und Terror über die Menschen gebracht haben. Wie konnte das geschehen? Eine unausgesprochene Frage stellt sich an dieser Stelle von selbst. An Massengräbern und in Flüchtlingsströmen nährt sich auch in Europa noch Hass, aus dem sich neue Kriege entwickeln könnten. Vor diesem Hintergrund wird klar, welche moralische Leistung hinter den Worten „Versöhnung über den Gräbern“ steht.
Am Gedenkstein gegenüber dem Kaiserhof legten die Vertreter von Parteien, Verbänden und Vereinen Kränze und Blumengebinde gestern nieder. Bleibt zu hoffen, dass künftig noch mehr Jugendliche zu dieser Veranstaltung ein finden.