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Versteckspiel im Klassenraum

Debatte. Kleidung mit rechtsextremen Symbolen taucht oft an Schulen auf. Wie man gegen derenTräger vorgeht, darüber rätseln die Erwachsenen.

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Von Andreas Rentsch

Die kleine Diskussionsrunde in der Wachauer Mittelschule ist uneins. Wie soll man mit Schülern umgehen, die im Unterricht Springerstiefel, Lonsdale-T-Shirts oder Fred-Perry-Hemden tragen? Die geltenden Regelungen seien ihm „zu lasch“, sagt ein Lehrer. Die Unsicherheit sei groß, ob dieses oder jenes rechtsextreme Symbol erlaubt sei oder nicht, beklagt seine Kollegin. Aufklärung tue Not. Jens Auf dem Keller leistet diese Arbeit. Der Experte des LKA wertet seit 1998 einschlägige Tonträger und Schriften aus, schreibt Aufklärungsbroschüren. Er sagt, die juristische Lage sei verwirrend: „Ein Symbol, das in Sachsen strafrechtlich relevant ist, muss in anderen Bundesländern gar nicht verboten sein.“ Wer wisse denn, dass das Tragen eines Consdaple-Hemdes mit Reichsadler-Aufdruck und einer Bomberjacke den Straftatbestand § 86a StGB erfüllt? Der Paragraf handelt vom Verwenden von „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Verdeckt die Jacke das vordere und hintere Ende des Consdaple-Logos, sind nur noch die Lettern „NSDAP“ zu lesen.

Hierzu gebe es einschlägige Urteile im Land Sachsen, sagt Auf dem Keller. Er ermutigt die Schulleiter dazu, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. „Sind sie unsicher, ob dieses oder jenes Symbol verboten ist, rufen sie die nächste Polizeidienststelle an“, rät er.

Wie sich zeigt, machen die Schulleiter im Rödertal von dieser Möglichkeit unterschiedlich stark Gebrauch (siehe Umfrage). Während die Schulleitung des Radeberger Humboldt-Gymnasiums mehr auf Diskussion und Aufklärung setzt, haben sich die Verantwortlichen der Ottendorfer Mittelschule von der Lehrer- und Elternschaft beauftragen lassen, konsequent gegen die Besitzer typischer Hemden und Jacken vorzugehen. Die unterschiedliche Handhabe gehe in Ordnung, sagt LKA-Experte Auf dem Keller: „Wie weit das Hausrecht geht, bestimmt der Schulleiter.“

Vor zwei Wochen hat die Diskussion um die geheimen Kleider-Codes rechts gerichteter Jugendlicher neue Nahrung bekommen: Eine Realschule im baden-württembergischen Weinstadt hat ihren Schülern verboten, Bomberjacken mit „88“-Aufnähern, Thor Steinar-Hemden und Lonsdale-Shirts zu tragen. Der Beschluss der Schulkonferenz kam zu Stande, weil ein Neuntklässler während einer Betriebsbesichtigung eine Jacke mit dem Aufdruck „European Master Race“ (übersetzt: Europäische Herrenrasse) getragen hatte.

Dass manche Jugendlichen die Machtspielchen um die Neonazi-Insignien mittlerweile virtuos beherrschen, davon weiß auch eine Lehrerin aus Wachau zu berichten. Nach der Diskussion um ein Lonsdale-Shirt habe eine Schülerin am nächsten Tag einen Versandhaus-Katalog mit ins Klassenzimmer gebracht. Um zu zeigen, dass die Marke „sogar dort“ angeboten wird.