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Versteckte Idylle am Huthübel

Die SZ stellt in einer Serie die Besonderheiten auf den Dörfern vor: Steudten ist der kleinste und jüngste Ort in der Gemeinde.

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Von Nicole Czerwinka

Das markante Klinkerhaus von Familie Haubold sticht schon von Weitem ins Auge. Manche Autos, die den kleinen Berg nach Steudten hinunterfahren, halten sogar an, um es genauer zu betrachten. Es liegt kurz vor dem 219 Meter hohen Huthübel, dem höchsten Punkt im Altkreis Riesa-Großenhain und fasziniert mit seiner Mischung aus traditioneller Klinker- und Fachwerkbauweise.

Kathleen Haubold und ihr Mann Eckhard Sonnemann haben sich mit diesem Haus im kleinsten Ortsteil von Stauchitz 2009 ihr Traumheim gebaut. Auf einem kleinen Hügel, direkt am Ortseingang steht es, davor sitzt Kathleen Haubold auf einer hölzernen Bank und erzählt: „Ich bin in Steudten groß geworden und wollte nie hier wegziehen“, sagt sie. Ihr Elternhaus zu verkaufen, sei für sie nicht infrage gekommen. Es stand fast an derselben Stelle wie der rotbraune Klinkerbau jetzt, war jedoch schon alt und musste 2009 abgerissen werden. „An dem Tag war ich nicht da, ich hätte das nicht mit ansehen können“, erzählt Kathleen Haubold. Inzwischen hat sie sich mit ihrem Mann am Huthübel eine eigene kleine Familienidylle geschaffen. Die Zwillinge Ida und Karl machten das Glück im Januar 2013 schließlich perfekt.

Fast vergessen wirkt der kleine Ort an der Ortsgrenze von Stauchitz zum Kreis Döbeln. Jedes Auto, das hier durchfährt, wird von den Einheimischen sofort registriert. Man kennt die Wagen aus der Nachbarschaft oder den des Briefträgers genau. „Das ist auch das Schöne am Landleben, kommt mal ein Paket, dann weiß der Postbote schon, wenn ich nicht zu Hause bin, könnte ich vielleicht bei der Nachbarin sitzen und einen Kaffee trinken – und oft ist es auch so“, erzählt die junge Mutter. Ein Pferd schnaubt laut in der Scheune, während sie das sagt. Um ihre Beine streift eine Katze, die Zwillinge spielen im Kinderwagen mit einem Plüschbär.

Einsam sind Kathleen Haubold und ihre Familie in Steudten nicht. Der kleine Ort zählt zwar derzeit nur knapp 27 Einwohner. Die sind allerdings mit einem Altersdurchschnitt von schätzungsweise 35 Jahren so jung, wie sonst nirgends in der Gemeinde. Der historisch älteste Ortsteil von Stauchitz ist damit in den vergangenen vier Jahren auch gleichzeitig zum Jüngsten geworden.

„Früher haben hier 40 Kinder gewohnt, das Dorf war recht groß. Es gab allein vier Rittergüter und große Höfe in Steudten“, sagt Kathleen Haubold. Im Jahr 2009 zählte Steudten dann nur noch 15 Einwohner. Inzwischen wächst der kleine Ort wieder. Heute leben hier mehrere junge Familien mit insgesamt sechs kleinen Kindern. „Irgendwann wird die Gemeinde den Schulbus auch wieder bei uns vorbeischicken müssen“, sagt Kathleen Haubold mit Blick auf die Straßen unterhalb des Hügels und schmunzelt. Bis heute gibt es keine Busanbindung in Steudten. Überhaupt bestehe manchmal die Gefahr, dass man als Randortschaft von der Gemeinde vergessen wird. „Es gibt keine Straßenbeleuchtung, die Straßenschilder sind zum Teil 20 oder 30 Jahre alt. Immerhin, jetzt bekommen wir wohl bald neue“, erzählt Kathleen Haubold. Dafür seien die Steudtener darauf bedacht, dass es in ihrem Dorf gepflegt aussieht. „Hier achten alle darauf, dass die Straßenränder gemäht sind und dass es sauber ist“, sagt sie.

Steudtener Birnenernte ist begehrt

Sie und ihr Mann arbeiten beide in der Landwirtschaft. Kathleen Haubold ist derzeit noch in Elternzeit, sonst als Ausbilderin für die Lehrlinge tätig. Ihr Mann ist freiberuflicher Landwirt, bewirtschaftet auch eigene Flächen. Die beiden könnten sich gar nichts anderes vorstellen, als dieses Leben. „Es gibt für Kinder nichts Besseres. Wir haben früher schon auf dem Land beizeiten Moped- und Autofahren gelernt, es war ja sonst niemand unterwegs“, erinnert sich die junge Frau. Als Kind habe sie ein Pony gehabt, und im Herbst pflücke sie noch heute mit ihrer Familie die Birnen im Dorf, um den eigenen Birnensaft daraus zu pressen. „Die Birnenbäume sind auch typisch für Steudten, die gibt es sonst hier nirgends in der Gegend“, sagt sie.

Mit dem Auto sei man heute auch schnell in Dresden, wenn es sein muss. Das Landleben möchte sie aber auf keinen Fall mehr missen. „Das Dorf hier lebt wieder, seit die jungen Leute alle gebaut haben, es hat einen Charakter“, schwärmt sie.