Von Daniela Pfeiffer
Diese Sache mit dem Lenkrad auf der falschen Seite! Anfangs hat sie Martin Silkeit so manche Schrecksekunde beschert. „Einmal stieg ich ins Auto ein und dachte, verdammt, die haben das Lenkrad geklaut“, erinnert sich der Görlitzer.
Inzwischen ist ihm die falsche Seite aber in Fleisch und Blut übergegangen. Er sitzt zu gern am Steuer seines LTI, seines London Taxi International. Seit er vor einigen Wochen endlich die deutsche Zulassung bekam, ist er mit dem edlen schwarzen Wagen des Öfteren in Görlitz zu sehen. Vor allem für Brautpaare öffnet er die Türen. Sie stilvoll zum Standesamt oder zur Hochzeitsfeier zu bringen, ist seine Geschäftsidee. Wo doch der Wagen nicht nur außen, sondern auch innen ein Hingucker ist. Mit Sitzen wie ein Sofa, Teppichboden und so viel Beinfreiheit, dass man fast das Gefühl hat, in ein Wohnmobil zu steigen. Zwischen Fahrer- und Passagierbereich gibt es eine Scheibe – für Privatsphäre ist also auch gesorgt.
Etwas zu verändern, wäre Sünde
„Alles noch original“, sagt Martin Silkeit stolz. „Hier dran was zu verändern wäre Sünde.“ Und so hat er eine ganze Reihe Sondergenehmigungen, denn Türen, die nach vorn aufgehen, gibt es eigentlich nicht in Deutschland. Original sind auch das Taxischild – wenn auch defekt – und die Fensterheber. Es sind sogar elektrische. Denn auch wenn das Auto wie ein Oldtimer anmutet, es ist erst 17 Jahre alt. Hat aber dennoch schon etwa 330 000 Kilometer runter. „Für ein solches Auto ist das nichts, da gilt es gerade mal als eingefahren.“ Martin Silkeit hat den Wagen im Internet entdeckt. „Wenn ich Zeit habe, schaue ich immer, was es so für Autos gibt“, sagt der 41-Jährige. Fünf hat er insgesamt, aber dass das langsam zu viele sind, hat er erkannt. „Eins gebe ich im Sommer einer Freundin mit nach Frankreich.“
Das englische Taxi aber ist sein Schmuckstück. Er hat es bei Ebay entdeckt und zugeschlagen. Vom Preis her sei es ein Schnäppchen gewesen. Alles, was er danach investieren musste, habe das aber schnell relativiert. Zunächst war das Gefährt in England zu holen. Ursprünglich als Taxi in London unterwegs gewesen, gehörte es nun einem Privatmann in Bristol. Zusammen mit einem Freund flog Martin Silkeit nach England, um das Auto heimzuholen. Mit einem Kurzzeitkennzeichen hatten sie dafür fünf Tage Zeit. „Am Ende hat es mein Kumpel allein hergefahren, weil ich zu einem Filmdreh musste.“
Martin Silkeit, der 1999 aus Hamburg zum Tourimuswirtschaft-Studium nach Görlitz gekommen war und blieb, arbeitet bei der Waldeisenbahn Bad Muskau. Er kümmert sich dort um Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit. Doch seine zweite Leidenschaft ist Film. Als Produktionsfahrer ist er schon durch halb Europa gereist, hat auch bei Drehs in Görlitz gearbeitet. Deshalb hofft er, mit dem Auto auch für künftige Produktionen interessant zu sein.
Einiges spricht dafür. Denn das Interesse an dem Wagen ist in den ersten Wochen schon groß. „Die Leute finden mich. Sie sehen mein Auto stehen und sprechen mich an.“ Obwohl Silkeit noch gar nicht angefangen hat, explizit dafür zu werben. „Es soll mal eine Website geben, aber bislang sind meine Kontaktdaten hinten am Auto der einzige Hinweis auf mich.“
Zwei deutsch-polnische Paare hat er schon zur Hochzeit gefahren. Mit einem war die Fahrt recht abenteuerlich, denn da war die Wasserpumpe des Autos noch kaputt. Dadurch lief der Wagen immer wieder so heiß, dass Silkeit auf dem Weg zum polnischen Schloss ständig anhalten und mit Wasser kühlen musste. 30 Liter hat er dafür gebraucht. „Die anderen Hochzeitsgäste sind einer nach dem anderen an uns vorbei gerauscht. Aber das Brautpaar vertraute darauf, es mit mir zu schaffen, und das klappte tatsächlich. Unter großem Applaus der wartenden Gäste kamen wir an.“ Kurz darauf wieder eine heiße Fahrt: Auf dem Weg von Hamburg nach Mannheim blieb er auf der Autobahn beinah in einer 30 km/h-Baustellenzone stehen. Das Auto war so heiß geworden, dass er den Feuerlöscher einsetzen musste. Inzwischen ist aber alles repariert.
Jüngst hat Silkeit seine Lieblingskellnerin aus der polnischen Stamm-Pizzeria zur Trauung gefahren. Bei der Hochzeit seines Chefs, des Geschäftsführers der Waldeisenbahn Bad Muskau, war sein Auto das Shuttle für die Gäste. „Dieses Auto ist ein Gute-Laune-Bringer. Die Leute auf der Straße gucken interessiert, viele grinsen“, sagt Silkeit. Deshalb hofft er, seine Taxifahrten dauerhaft als Nebenerwerb machen zu können. Doch noch fehlen ihm zum perfekten Chauffeur der rote Teppich zum Ausrollen sowie Frack und Zylinder. Bisher hat er keinen passenden Hut bekommen. Für seinen Kopf sind sie alle zu klein. „Vielleicht hole ich mir den auch noch in England“, sagt er. Auch die Ersatzteile muss er meist aus England bestellen – wenn auch das Porto teuer ist. Eingebaut bekommt er sie von einer Werkstatt in Weißwasser.
Vergangene Woche kamen sogar zwei gutbetuchte Ladys aus England. Sie hatten eine englische Stadtführung in Görlitz gebucht – und fuhren stilecht mit Martin Silkeits Taxi.
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