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Vier Enkel halten den Großvater auf Trab

„Oh, ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen“, erklärt Reiner Landgraf etwas gestresst am Telefon, als er dem Döbelner Anzeiger ein Interview geben soll: „Ich bin gerade dabei, mit meinen Enkeln im Garten ein Schlammbad zu bauen.

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Von Gabriele Gelbrich

„Oh, ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen“, erklärt Reiner Landgraf etwas gestresst am Telefon, als er dem Döbelner Anzeiger ein Interview geben soll: „Ich bin gerade dabei, mit meinen Enkeln im Garten ein Schlammbad zu bauen. Rufen Sie doch morgen bitte noch einmal an.“ Einen Tag später ist das Bad fertig und der Ehrenbürger der Stadt hat ein paar Minuten Zeit für ein Telefonat.

1999 zog der evangelische Pfarrer nach 16 Jahren Kirchendienst in Döbeln mit seiner Frau nach Kändler, in einen kleinen Ort nahe Limbach-Oberfrohna. „Ich hatte meine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben“, erzählt Reiner Landgraf. „Das einzige was ich damals wollte war, nach meiner Herz-OP wieder gesund werden.“ Nachdem er sich erholt hatte, übernahm der Theologe verschiedene Gottesdienste und arbeitete über drei Jahre als Notseelsorger an der Autobahnstrecke zwischen Glauchau, Hohenstein-Ernstthal und Chemnitz. „Diese Arbeit war nicht einfach“, sagt Landgraf. „Es ist belastend, wenn du in der Nacht Eltern sagen musst: Ihr Sohn hat sich totgefahren.“

Verbindung mit Döbeln bleibt

Der Faden nach Döbeln riss in all den Jahren nie ab, „vor allem aus familiären Gründen, denn mein Sohn Ekkehard lebt mit der Familie in Döbeln.“ Er habe beim Bau des Wohnhauses und der Tischlerwerkstatt mitgeholfen: „Kleinigkeiten, leichte Sachen – wegen der Gesundheit“, erklärt er. Außerdem half er seinen Döbelner Kollegen ab und zu mit Gottesdiensten aus.

Nach vielen Jahren erfüllte er seiner Frau zum vergangenen Jahreswechsel einen Traum: „Wir sind Silvester nach Paris gefahren und haben auf der Champs-Élysées mit Sekt angestoßen.“ Doch das Glück währte nicht lange. Ein Taschendieb hatte Reiner Landgraf das Portemonnaie aus der Hosentasche gezogen, „obwohl meine Frau hinter mir stand und ich eine Jacke drüber hatte“, ärgert er sich. Und so wie das Jahr angefangen habe, ging es weiter, meint er: Im Januar musste er sich an der Schilddrüse operieren lassen und zwei Monate später an der Prostata. „Ich hatte den lieben Gott an meiner Seite gehabt. Die Operation ist gelungen“, erklärt er. Leider sei Prostatakrebs oft ein Tabuthema unter Männern. Er könne nur jedem raten, sich regelmäßig von einem Urologen untersuchen zu lassen.

Die gesundheitlichen Sorgen scheinen wie weggewischt, wenn er von seinen Enkeln spricht. Es sind vier an der Zahl. Oft kommen sie nach Kändler, um bei Oma und Opa Ferien zu machen. Oder die Großeltern besuchen sie in Döbeln oder Roßwein.

Zeit bleibt ihm nun im Ruhestand auch, um in der Vergangenheit zu forschen. Zum einen betreibt er Ahnenforschung. „Ich bin schon im Jahr 1597 angekommen.“ Nur einen richtigen Landgrafen habe er noch nicht gefunden. Traurig machen ihn seine Forschungen in der jüngeren Vergangenheit. „Ich musste feststellen, dass die Stasitätigkeit in Döbeln schlimmer war, als ich gedacht habe“, so Landgraf. Vieles, was er als Intrigen in Döbeln erlebt habe, entpuppe sich heute als Stasiaktion.

„Ich mache eigentlich noch vieles, vieles mehr“, beschließt er das Gespräch. Doch es fehlt die Zeit zum Reden, die Enkel drängeln...