SZ +
Merken

Vier Zimmer sind rar

Wer in Großenhain eine Wohnung mit vier Zimmern sucht, sollte sich auf eine Geduldsprobe einstellen. Große Wohnungen sind rar geworden. Der geplante Abriss vieler Blöcke minimiert das ohnehin knappe Angebot zusätzlich.

Teilen
Folgen

Von Annett Liebe

Katrin M. hatte sich die Angelegenheit anders vorgestellt. Weil die beiden Jungs der Familie nun in einem Alter sind, in dem jeder sein eigenes Zimmer haben möchte, dachten sie und ihr Mann: Warum nicht gleich eine neue, größere Wohnung nehmen? Und so machten sie sich in Großenhain auf die Suche. Das war im zeitigen Frühjahr. Gefunden haben sie bis heute nichts passendes. „Es gibt einfach zu wenige Angebote. Und die es gibt, entsprechen nicht unseren Vorstellungen.“ Inzwischen denkt das Ehepaar sogar daran, ganz wegzuziehen.

Damit dürften sie nicht die Einzigen sein. Während es Zwei- und Drei-Raum-Wohnungen in Großenhain en masse gibt, ist das Angebot mit vier Zimmern vergleichsweise mager. Schon einem Blick ins Internet folgt die Ernüchterung. Unter www.wohnungsfinder-sachsen.de erscheinen gerade einmal drei Angebote, eins davon ist erst ab März 2004 relevant. Dass Vier-Raum-Wohnungen nicht gerade häufig zu haben sind, bestätigen auch Leute, die es genau wissen müssen. Jochen Leubner zum Beispiel, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Großenhain. „Ja, wir haben gehört, dass es Probleme gibt.“ Auch Ekkehard Krause von der bbg Baubetreuungs GmbH kennt die Situation. „Ich habe inzwischen sogar eine Warteliste, auf der drei- oder vier Familien stehen.“ Im Moment seien aber die Aussichten schlecht. Von den 135 Wohnungen, die das Unternehmen hat, ist nicht eine einzige frei – schon gar keine Vier-Raum-Wohnung.

Woran liegt es, dass die Nachfrage das Angebot übertrifft? „Viele wollen aus den Plattenbauten raus“, äußert Ekkehard Krause. Und viele müssen raus, ist hinzuzufügen. Denn im Herbst 2003 beginnt die Großenhainer Wohnungsverwaltungs- und Baugesellschaft (GWVB) mit dem Abriss der ersten Blocks in der Dr.-Külz-Straße. Der Abrissbirne zum Opfer fallen dabei zunächst 54 Vier-Raum-Wohnungen. Wer darin bisher lebte, musste zwangsläufig in ein anderes Quartier umziehen – was den ohnehin schon knappen Markt zusätzlich belastete. Bis zum Ende des Stadtumbaus werden insgesamt 114 große Wohnungen verschwinden.

Ansprüche sind gestiegen,

Plattenbauten unbeliebt

Das ist aber noch nicht alles. Denn auch die Wohnungsgenossenschaft lässt abreißen. Bei der ersten Welle in der Dr.-Semmelweiß-Straße 1-7 kommen 24 Vier-Raum-Wohnungen weg. Alle Mieter sind schon in anderen Häusern untergebracht. Einige Genossenschafts-Wohnungen stehen sogar noch frei. In der Dr.-Jakobs-Straße zum Beispiel sind es sechs bis acht Domizile. Allerdings in den oberen Etagen – und die sind unbeliebt. Sogar Preisnachlässe, die die Wohnungsgenossenschaft anbietet, können viele nicht dazu verlocken, eine Behausung im vierten oder fünften Stockwerk eines DDR-Neubaublocks zu mieten.

Die Ansprüche sind überhaupt gestiegen. Plattenbauten sind heutzutage unbeliebt, unsanierte Altbauten ohnehin indiskutabel. Außerdem genehmigen sich Wohnungssuchende oft nur einen begrenzten Spielraum. „Wohnungen um die 80 Quadratmeter werden am häufigsten nachgefragt. Alles, was darüber liegt, ist für Familien mit Kindern schon wieder zu teuer“, berichtet Krause.

Bleibt für viele als Alternative doch nur der Plattenbau. Darauf setzt auch die GWVB, die Wohnungssuchende sogar mit Umzugsbeihilfen binden möchte. Um dem Mangel entgegenzuwirken, sollen in den Blocks kleine Wohnungen zu größeren zusammengelegt werden. Allerdings nicht so bald. „Für 2003 waren Investitionen geplant, aber die mussten wir wegen dringenderer Vorhaben verschieben“, sagt Geschäftsführer Jürgen Reimitz. Um trotzdem zu helfen, haben sich die Großenhainer Vermieter zusammengetan und stehen jeden Donnnerstagnachmittag im Service-Punkt Meißner Straße für Anfragen zur Verfügung – das Angebot an Vier-Raum-Wohnungen wird dadurch allerdings auch nicht größer. AUF EIN WORT