Nach Corona-Stillstand bei VW: Zurück ans Band

Von Claudia Drescher und Jan Petermann
Nach rund fünf Wochen Corona-Stillstand läuft bei Volkswagen die Autoproduktion langsam wieder an. Den Anfang machte am Donnerstag das Werk in Zwickau. Dort wird seit November 2019 mit dem vollelektrischen ID.3 das – neben dem Golf 8 – wichtigste neue Modell des Konzerns gebaut.
Auch im benachbarten Motorenwerk Chemnitz fährt VW den Betrieb nun schrittweise hoch. Die Gläserne Manufaktur in Dresden soll am 27. April folgen. Nach einer vierwöchigen Schließzeit werden in der Gläsernen Manufaktur wieder Fahrzeuge ausgeliefert. Die Wagen werden komplett desinfiziert und kontaktlos an die Kunden übergeben. Auf eine detaillierte Einweisung am Fahrzeug wird laut VW verzichtet, technische Neuerungen wie Assistenzsysteme werden mit Videos erklärt. 2019 nahmen rund 1.300 Kunden ihr Fahrzeug in der Gläsernen Manufaktur entgegen, in diesem Jahr sollen es rund 2.600 sein. Parallel zu Dresden sollen auch der Stammsitz Wolfsburg sowie die Fabriken Emden und Hannover am kommenden Montag wieder hochfahren. In einigen internen Zulieferwerken der VW-Gruppe wird schon wieder gearbeitet, weitere Autowerke sollen hinzukommen.
Um die Sicherheit der rund 10.000 Mitarbeiter an den drei sächsischen Standorten zu gewährleisten, setzt Volkswagen unter anderem auf verschärfte Hygienestandards und kürzere Reinigungsintervalle. So sollen die Beschäftigten an Arbeitsstationen, an denen Abstände von mindestens 1,5 Metern nicht möglich sind, einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Zudem sollen die Taktzeiten verlangsamt werden.
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Auch einige externe Lieferanten können damit bereits etwas aufatmen. „Insbesondere die Zulieferunternehmen, die Komponenten wie Achsen, Cockpits oder Kabelstränge in Sequenz fertigen und den Fahrzeugwerken direkt vorgelagert sind, brauchen den Wiederanlauf dringend“, sagte Dirk Vogel vom Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ). Wie werksnahe Dienstleister, beispielsweise aus der Logistikbranche, hätten diese Betriebe kurzfristig keinerlei Alternativen, um sich Aufträge an anderer Stelle zu erschließen.
Im slowakischen Bratislava, wo der VW-Konzern etwa große SUVs und Kleinwagen baut, ist die Produktion bereits wieder angelaufen. Die Lkw- und Bus-Tochter MAN startet am Montag. Nach den deutschen sollen dann weitere europäische und amerikanische Standorte die Arbeit fortsetzen. Das VW-US-Werk Chattanooga (Tennessee) kehrt ab dem 3. Mai schrittweise aus der Pause zurück. Dessen Leiter Tom du Plessis erklärte: „Wir haben die vergangenen Wochen genutzt, um strikte Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen.“ Der Schritt erfolge im Einklang mit gelockerten Richtlinien der Behörden.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo für Zehntausende Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet worden war, galt für die US-Kollegen meist unbezahlter Zwangsurlaub. Anfang Mai sollen Fabriken in Lateinamerika und Südafrika den Betrieb aufnehmen. In China, dem Ursprungsland der Pandemie, waren zuletzt fast alle Standorte zurück am Netz.
Probleme mit den Lieferketten
Auch an den westdeutschen VW-Komponenten-Standorten (Braunschweig, Salzgitter, Kassel) wird wieder produziert. In Braunschweig etwa hatten Werkleitung und Betriebsrat in der vorigen Woche jedoch auch mitgeteilt, dass einige Bereiche wohl erst ab 3. Mai weitermachen. Grund seien „Nachfragerückgänge, Versorgungsengpässe und damit verbundene unkontrollierbare Störungen der Lieferbeziehungen aus vom Coronavirus betroffenen Ländern und Regionen“.
Die Produktionskapazität ist zunächst geringer als sonst. Die VW-Tochter Audi startete an einigen Standorte bereits wieder, das Hauptwerk Ingolstadt soll am Montag hinzukommen. Daimler begann mit dem Wiederanfahren schon am vergangenen Montag, im ersten Quartal musste der Konzern einen Gewinneinbruch verkraften. Auch bei VW sackte der Betriebsgewinn laut vorläufigen Zahlen zuletzt ab. BMW hat bisher noch keine Details zum geplanten Wiederanlauf genannt.
In Sachsen ist die Autoindustrie eine wichtige Branche. Größte Herausforderung für die rund 800 Zulieferer mit 75.000 Mitarbeitern sei angesichts internationaler Verflechtungen die Frage, ob und wann alle Teile verfügbar seien. „Deshalb muss der Anlauf schrittweise erfolgen, damit die gesamte Lieferkette nachziehen kann“, so Vogel. Langfristig müssten sich vor allem Werkzeugbauer und Entwicklungsdienstleister auf Einbußen einstellen, meinte der Branchenexperte. Budgets würden bereits drastisch eingedampft, weil den Autoherstellern durch den Shutdown enorme Kosten entstanden seien. Zugleich gebe es erste Überlegungen, wichtige Komponenten wie Elektronik künftig wieder stärker selbst zu fertigen. (dpa)
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