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Vollrausch schützt nicht vor Haftstrafe

Wegen des tödlichenUnfalls, der sich 2003 bei Reichstädt ereignete, muss Dirk M. nun eineinhalb Jahre ins Gefängnis.

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Von Klaus Heyde

Richter Kehr konnte sich den Argumenten der Verteidigung zwar nicht verschließen, er verhängte aber trotzdem keine Bewährungsstrafe. Mit anderthalb Jahren Haft für Dirk M. blieb er ein Jahr unter der Forderung des Staatsanwaltes.

Die Verhandlung um den tödlichen Unfall konzentrierte sich auf mehrere kostenaufwendige Gutachten. Neben einem KTI-Mitarbeiter, der auf Untersuchungsmethoden am mutmaßlichen Unfallauto einging, waren die Vorträge eines DEKRA-Sachverständigen und eines Rechtsmediziners zu hören. Der Spezialist in Sachen Verkehrstechnik hatte in einem mühsamen Puzzle die am Unfallort aufgefundenen Glas- und Kunststoffsplitter zusammengesetzt. Das Ergebnis dieser Arbeit: Es handelt sich um den Nebelscheinwerfer eines Opel Astra - eines Autos, wie es Dirk M. besaß - der am Unfallort zu Bruch gegangen war.

Aus Angaben des Angeklagten zu seinem vorabendlichen Alkoholkonsum leitete der Rechtsmediziner einen Promillewert von 3,2 zur Unfallzeit ab. Hierbei drängte sich der Verdacht auf, Dirk M. könnte mit seinen Angaben etwas übertrieben haben, um seinen Gedächtnisverlust glaubhaft zu machen. Einen sturzbesoffenen Eindruck hatte er jedenfalls nicht hinterlassen, als er nach dem Unfall, den er nicht bemerkt haben will, bei seiner Lebensgefährtin aufgetaucht war.

Der Verteidiger erklärte im Plädoyer, dass die Beweiskette für ein alleiniges Verschulden von Dirk M. einige Fragen offen ließ. Ein Verletzungsbild des Unfallopfers konnte z. B. mit Rekonstruktion der Fahrbewegungen des Opel Astra nicht eindeutig erklärt werden. Am Unterboden des vermeintlichen Unfallautos waren zudem trotz akribischer Arbeit der LKA-Spezialisten keine Spuren von DNA oder textilen Geweben entdeckt worden. Der Rechtsanwalt wies auch darauf hin, dass sich Dirk M. bislang nichts zu schulden kommen ließ und ... seine Bestrafung bereits mit dem Entzug der Fahrerlaubnis begann. Der selbstständige Handwerker sei ohne Fahrzeug „aufgeschmissen“ und habe mittlerweile so gut wie keine Einkünfte mehr. Außerdem sei es für jeden Autofahrer schwierig, nachts um drei in dreißig Meter Entfernung ein auf der Straße liegendes Hindernis zu sehen und rechtzeitig „die Kurve zu kriegen“.

Unterm Strich drängt sich nach dieser emotional bewegenden Verhandlung eine Nachbemerkung auf: Das spätere Unfallopfer wäre voraussichtlich noch am Leben, wenn die erste Zeugin des Geschehens anders reagiert hätte. Sie war mit Schrittgeschwindigkeit an der Stelle vorbei gefahren, an welcher der vom Rad gefallene auf der Fahrbahn lag, und informierte die Polizei mit ihrem Handy erst aus sicherer Entfernung. Die Art, wie sie den jungen Mann auf der Straße vorfand, kam ihr nicht geheuer vor. Es sah wie gestellt aus. Sie befürchtete, hier liegt einer, der jeden Moment wieder aufspringen könnte.