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Vom Ende einer Unfallserie

Mehr als 30 Mal wurde in Dresden ein Verkehrsschild umgefahren. Fast ebenso oft berichtete die SZ. Wie sieht es heute aus?

Von Christoph Springer
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Mehr als 30 Mal wurde das Stoppschild umgefahren, bevor die Stadt mit einem Umbau das Linksabbiegen verhinderte.
Mehr als 30 Mal wurde das Stoppschild umgefahren, bevor die Stadt mit einem Umbau das Linksabbiegen verhinderte. © Sven Ellger

Dieses Stoppschild war noch nicht einmal vor Taxifahrern sicher. Mehr als 30 Mal wurde es gestreift oder umgefahren. Im April 2018 rammte es sogar ein Taxifahrer mit seinem Hyundai. Es war das 25. Mal, dass ein Schild an dieser Stelle gefällt wurde. Immer wieder musste die Stadt erneuern, nicht selten waren die Unfallfahrer verschwunden, und das Rathaus musste die Kosten übernehmen. Die Mündung Devrientstraße/Marienbrücke galt als Unfallschwerpunkt. Deshalb wurde das Schild 2015 aufgestellt. Doch sie blieb es auch danach. Bis 2018 nicht mehr zu übersehen war: Hier muss nachgebessert werden.

Regelmäßig berichtete die SZ über die Unfälle, die Fehler der Unfallfahrer und Verbesserungsvorschläge. „Ein Stoppschild, das im Weg steht?“, fragten wir Anfang Oktober 2018 nach Kritik von Autofahrern an der Gestaltung der Kreuzung, die sie gefährlich fanden. Mitunter vergingen nur wenige Tage vom Aufbau eines neuen Schilds bis zum nächsten Unfall. Am Ende platzte sogar dem Leiter des Straßen- und Tiefbauamtes die Hutschnur. Reinhard Koettnitz beschrieb die geplante Bordsteinkante in der Straßenmitte kurz vor dem Umbau der Mündung. 15 Zentimeter hoch sollte sie werden und das Linksabbiegen von der Marienbrücke in die Devrientstraße unmöglich machen. Denn das war der Hauptgrund für die vielen Stoppschild-Unfälle. „Ein Affe mit seinem Q5 wird da immer noch drüberfahren“, polterte der Chef des Straßen- und Tiefbauamtes damals, „ein Opa mit seinem Corsa dagegen nicht“. Koettnitz erntete viel Kritik für seine Äußerung. Doch er sollte recht behalten. Seit dem Umbau wurde das Stoppschild nicht mehr umgefahren.

Linksabiegen unmöglich: Seit einem Jahr gibt es  eine Bordsteinkante zwischen den Gleisen auf der Brücke. 
Linksabiegen unmöglich: Seit einem Jahr gibt es  eine Bordsteinkante zwischen den Gleisen auf der Brücke.  © Marion Doering

Das Schild war bis zum Oktober 2019 das am häufigsten malträtierte Verkehrszeichen der Stadt. Und so entstanden die Unfälle: Ungeduldige Autofahrer, die von der Marienbrücke kamen und auf die Devrientstraße Richtung Zentrum wollten, lenkten auf die Straßenbahnschienen. Dann musste alles schnell gehen. Sie passten einen Moment ab, in dem kein Gegenverkehr kam, auch keine Radfahrer, und in dem sie möglichst keiner der 36 Straßenbahnen pro Stunde und Richtung im Weg waren. Dann zogen sie links rüber, im spitzen Winkel in die Devrientstraße. Dabei überfuhren sie eine schraffierte Sperrfläche und ignorierten ein Schild mit einem Geradeaus-Pfeil. Sie mussten auch darauf achten, dass keine Polizei in der Nähe war. Nur das Stoppschild haben sie dabei immer wieder vergessen. Sie rammten den Mast, das Schild krachte auf die Straße und aus der schnellen Abkürzung war für die Fahrer ein langwieriges Problem geworden.

Das Schild sollte vor allem Radfahrer schützen, die von der Könneritzstraße kommen und auf die Marienbrücke fahren. Bis zum Oktober 2015 gab es nur ein Stoppschild auf der rechten Seite der Mündung. Es reichte nicht. Nach mehreren schweren Zusammenstößen entschied die Unfallkommission der Stadt, dass ein zweites Schild in der Straßenmitte aufgestellt werden musste. Später bekam dieses Schild noch auffällige rot-weiße Markierungsbleche. Trotzdem wurde es immer wieder umgefahren.

Seit Ende Oktober 2018 ist Schluss damit. Am letzten Wochenende des Monats wurde die Bordstein-Barriere zwischen den Straßenbahnschienen eingebaut. Mehrfach hatte die Stadt den Termin verschoben, zuletzt vom September in den Oktober. Reinhard Koettnitz begründete das damals mit Lieferschwierigkeiten. Der Naturstein, der dort eingebaut werden sollte, sei nicht rechtzeitig verfügbar gewesen. Die neue Barriere bekam Reflektoren, damit sie auch in der Dämmerung und bei Dunkelheit gut zu sehen ist.

Das Linksabbieger-Problem ist inzwischen Geschichte, mit dem letzten Artikel vom 27. Oktober 2018 war das Thema auch für die Sächsische Zeitung erledigt. Nun waren die Radfahrer Richtung Marienbrücke geschützt und die Unfallgefahr durch die Falschfahrer gebannt.

Ende gut, alles gut? Nicht ganz, zeigt eine Nachfrage bei der Polizei, die die Unfälle an der Mündung weiter gezählt hat. Auch nach dem Umbau hat es an der Ecke immer wieder gekracht. Nun allerdings machen den größten Teil Kollisionen auf der Devrientstraße aus. 13 Mal sind seit Oktober 2018 an der Mündung Fahrzeuge zusammengestoßen. „Das Gros waren Auffahrunfälle, die sich direkt an der Zufahrt zur Marienbrücke ereigneten“, teilte Polizeisprecher Marko Laske mit. Dabei wurden vier Menschen leicht verletzt. Das heißt: Besonders ungeduldige Fahrer haben mehrfach nicht damit gerechnet, dass die Autos vor ihnen vor dem Rechtsabbiegen auf die Brücke wie vorgeschrieben stoppen.

Radfahrer auf dem Weg zur Brücke oder das berühmte Stoppschild blieben in den vergangenen zwölf Monaten aber verschont. Es hat sich also etwas geändert an der Kreuzung, zum Positiven.