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Vom Regen ohne Zweck und Sinn

Die SZ erzählt Geschichten aus dem alten Rödertal. Heute: Wasser von oben gab es auch früher schon jede Menge.

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Von Hans-Werner Gebauer

Die Regentage von Ende Mai und Anfang Juni 2013 lassen die Frage aufkommen, war es früher auch so schlimm? Radebergs Lehrer Kirschen, der im Jahr 1908 die Kunstfigur „Madame Quatschheim“ schuf, um satirisch sich mit dem Alltag auseinanderzusetzen ließ diese Frau 1910 sagen:

Sommer 1910

Regen, ob das Wetterglas

Regen zeigt, ob sonst etwas,

Regen wenn man früh erwacht!

Regen durch die ganze Nacht:

Regen früh und Regen spät,

Regen jeder Qualität!

Regen kalt, warm, dick und dünn,

Regen ohne Zweck noch Sinn,

Regen wenn der Himmel blau,

Regen wenn er grau in grau!

Regen mehr als Überfluss,

als Spritzer, Dusche, Gewitterguss!

Regen fern und in der Näh‘,

auf dem Berge, an der See.

Regen über’s ganze Land,

Regen wie er nie gekannt!

Segen soll er bringen - dieser Regen?

Doch ich sage,

soll der Teufel holen diesen Segen.

Radeberg hatte im Jahr 1910 mehr als 60 Regentage im Sommer. Und 1913, vor 100 Jahren? Im Juli 1913 – von 31 Tagen war es an 28 Tagen regnerisch und dazu oft kalt.

In Langebrück dichtete ein Kurgast: Montag regnet’s ohne Unterlass, der Dienstag macht uns weiter nass, Mittwoch ist dann ständig Nieselregen. Den Donnerstag geht man mit Schirm, deswegen! Freitag: Es prasselt und reißt auf! Doch Sonnabend nimmt er wieder seinen Lauf, und Sonntag ist dann Kurkonzert, da wird der Regen ausgesperrt! Man kam also auch in diesen Zeiten „vom Regen in die Traufe“, einem Sprichwort, das im deutschen Sprachraum erstmals 1627 auftaucht.

1728 dichtet man in Leipzig „Es regnet!“, spricht der Tor und eilt mit vollem Laufe, wohin? Das siehst Du, er stellt sich in die Traufe! Zu Luthers Zeiten hieß es noch „Er entläuft dem Regen und fällt ins Wasser!“ Das mit dem Regen und der Traufe kam durch die immer besser gebauten Häuser auf. Man wollte dem Regen entfliehen, stellte sich unter einen Dachvorsprung, und siehe da, das in der Dachrinne zusammengelaufene Wasser kam als voller Schwapp herunter.

Da konnte man „auch jemanden im Regen stehen lassen“, wie ein anderes Sinnbild meint. Worauf schon vor 100 Jahren Radeberger Zeitgenossen antworteten: „Ob Sonne oder Regen, ich bin grundsätzlich dagegen!“