Von Sarah Grundmann
Dresden. Robin Hood ist die Mutter von Schneewittchen. Zumindest in der Welt der Pflanzen. Wenn es um Rosen geht, kann niemand Jens Zappe so schnell etwas vormachen. Zahlreiche Geschichten über die Namen, Herkunft und Pflege weiß er zu erzählen. Denn Zappe ist Meister im Regiebetrieb, der sich um die Pflege des Dresdner Rosengartens am Königsufer kümmert. In diesem Jahr feiert die Grünanlage ihr 80-jähriges Bestehen, noch immer sind einige Pflanzen aus der Entstehungszeit dort zu finden. Und die war „heikel“, wie es Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) in seiner Festrede formulierte.



Denn 1933 griffen die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten alte Pläne zur Gestaltung des Königsufers wieder auf. Des „Deutschen Natursinn“ sollte mit dem Rosengarten gestärkt werden. Ein Sinn, der anderen Bevölkerungsgruppen hingegen abgesprochen wurde. Eine harmlose Blume wurde von dem Regime zu Propagandazwecken instrumentalisiert: Hunderte Langzeitarbeitslose wurden zum Schaufeln an die Elbe geschickt, weil die Nazis den Ausbau der „Reichsgartenstadt“ werbewirksam als „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ deklarierten. Als der erste Teil 1935 und der zweite Teil ein Jahr später an die Öffentlichkeit übergeben wurde, inszenierte das Regime dies mit Aufmärschen.
Im Zweiten Weltkrieg fiel die Grünanlage dann den Bomben zum Opfer. Nach dem Kriegsende wurde sie nicht umgehend wieder aufgebaut. Um sich zu versorgen, bauten die Dresdner dort zunächst Gemüse an. Erst in den 1950er-Jahren wurde das Areal, das auch zu Ausstellungszwecken der ersten deutschen Reichsgartenschau genutzt worden war, wieder rekonstruiert. Alte Zeichnungen, Schriftstücke und Fotos wurden hierfür zurate gezogen, aber auch ältere Mitarbeiter befragt.
Heute erscheint vor allem der Gartenabschnitt an der Albertbrücke im einstigen Gewand: Ein rosa und gelber Rosenteppich erstreckt sich dort – wie er auch auf Fotografien aus den 1930er-Jahren zu sehen ist. Im Mittelteil der Gartenanlage hingegen findet der Betrachter hauptsächlich Blumen aus der DDR-Zeit, alle in einer Baumschule in Löbau nachgezüchtet und für den Rosengarten veredelt. Sorgenkind des Grünflächenamts, das sich um das Areal kümmert, ist der Senkgarten vor dem Café. Dort befindet sich das einzige Teilstück, das nicht in städtischem Besitz ist. „Wir führen immer wieder Gespräche mit dem Café-Besitzer, aber es ist schwierig“, sagt Ilona Trux, Leiterin des Sachgebiets Pflege beim Grünflächenamt. „Deswegen fehlt in dem Abschnitt die Struktur“, bemängelt Zappe. Stattdessen gibt es ein buntes Sammelsurium an Pflanzen aus unterschiedlichen Zeiten.
Herbe Rückschläge waren die beiden Hochwasserereignisse. 2002 und 2013 richteten sie in dem Park reichlich Schaden an. Mit der Zerstörung durch die bislang letzte Flut wird noch heute gekämpft: Derzeit versperren Baken den Durchgang in den Senkgarten. Bis Ende September werden Rosen nachgepflanzt und Wege erneuert. Auch im Mittelteil gibt es noch einiges zu erledigen. Ob die Arbeiten dort noch in diesem Jahr starten können, ist unklar. Umso erstaunlicher ist es, dass auf den rund 30 000 Quadratmetern heute etwa 120 verschiedene Rosensorten blühen.
Stundenlang könnte der Meister von den verschiedenen Namen, Formen und Farben schwärmen. Wenn er es tut, fangen seine Augen an zu strahlen. Doch so viele Pflanzen bedeuten auch viel Arbeit. Nur im Mittelteil des Rosengartens gibt es eine Bewässerungsanlage, im restlichen Bereich müssen die sieben Mitarbeiter und der Meister mit der Gießkanne ran – einmal wöchentlich rund 18 Liter pro Quadratmeter. Zudem müssen die Pflanzen regelmäßig zurückgeschnitten werden, damit der Pilz sich nicht ausbreiten kann. Bis zu 40 Jahre halten sich die Stockrosen so im Garten, Strauchrosen werden teilweise mehrere Hundert Jahre alt. „Mit den Pflanzen zu sprechen, hilft auch“, sagt Zappe. Das sei nicht etwa Aberglaube, der Kohlenmonoxid-Ausstoß hilft beim Wachsen.
Größe und Pracht der heutigen Pflanzen werden jährlich von etlichen Besuchern bewundert. Dabei hält sich aber nicht jeder an die Regeln, die in einem Naturdenkmal gelten. Müll und Schmierereien ärgern die Mitarbeiter des Regiebetriebs immer wieder. Und auch vor Diebstahl schrecken sie nicht zurück. „Erst neulich beobachtete ich jemanden dabei, wie er mit Schere und Handschuhen bewaffnet Rosen abschnitt“, sagt Zappe und muss ein bisschen schmunzeln. „Darauf angesprochen sagte er mir, dass er jetzt mit seiner Freundin ein halbes Jahr zusammen sei.“ Ein bisschen verstehen kann Zappe das. Er bringt seiner Frau auch gerne Rosen mit. Die teilt seine Leidenschaft für die Blume. Ob sie wohl auch so viele Geschichten erzählen kann wie er?