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Von der Schultafel ins Rathaus

Lothar Kunze war viele Jahre Lehrer in Kamenz. Nach der Wende wurde er Bürgermeister. Seine Amtsantritt war eine Überraschung. Und sein Abgang ebenso.

Von Frank Oehl
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Das Rathaus in Kamenz – eine Schlangengrube? Soweit würden Lothar Kunze (l.) und Dr. Klaus Krah den attackierten Laokoon (h.) nicht gleich verorten. Aber auch mit einem Stadtrat muss schon mal gerungen werden.
Das Rathaus in Kamenz – eine Schlangengrube? Soweit würden Lothar Kunze (l.) und Dr. Klaus Krah den attackierten Laokoon (h.) nicht gleich verorten. Aber auch mit einem Stadtrat muss schon mal gerungen werden. © René Plaul

Kamenz. Offenheit und Ehrlichkeit – mit diesen Worten eröffnete Lothar Kunze im Oktober 1989 seine kleine Ansprache in der evangelisch-lutherischen Hauptkirche St. Marien. Der Berufsschullehrer war Katholik, aber das spielte in diesen bewegten Tagen keine Rolle. Jetzt war es Zeit, Gesicht zu zeigen. „Der Schüler soll seine Meinung artikulieren“, sagte der 46-Jährige beim Gebetsgottesdienst, und er meinte damit eigentlich jeden in diesem Land. „Wir müssen unsere Meinung artikulieren und verteidigen lernen, damit wir mündig und nicht nur wahlberechtigt, sondern auch wahlfähig werden.“ Und er wandte sich ausdrücklich auch an die Stasileute auf den Kirchenbänken. „Glaubt mir, das Abendbrot schmeckt garantiert besser, wenn es nicht durch Denunziation der Mitbürger, sondern durch ehrliche Arbeit verdient wird.“ Das war eine klare Ansage, und da war noch nicht ausgemacht, wie Glasnost und Perestroika auf dem Boden der DDR ausgehen werden.

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