Von Jörg Stock
Jan Giehrisch grient. Nein, es ist kein gutes Wetter für einen Sonnenuhrenbauer. Wurstfettgrau zeigt sich der Himmel über Röthenbach, und die kalte Luft lässt den Atem dampfen. Der junge Steinmetz ist trotzdem guter Dinge. Zwar kommen die Leute nicht in Scharen, sagt er. „Aber es ist ein spezielles, angenehmes Publikum.“ Dann setzt er das Zahneisen an und lässt Sandsteinkrümel spritzen.
Jedes Jahr ruft die Tourismusgemeinschaft „Silbernes Erzgebirge“ den Tag des traditionellen Handwerks aus. Ein Brennpunkt des Geschehens: die Böttgersche Kunstscheune im Pretzschendorfer Örtchen Röthenbach. Hausherr Gottfried Böttger, zum sechsten Mal bei der Aktion dabei, hatte ein halbes Dutzend Gewerke in Haus und Hof gesammelt. „Wir versuchen immer, neue Leute ranzuholen“, erklärt er, „auch mal was Ausgefallenes.“
Die Erdkugel als Zeitmesser
Steinmetz Giehrisch, zu Hause in einem Nest bei Riesa, gehört in diese Rubrik. Aus Sandsteinblöcken haut er detailgetreu den Globus, dazu Ziffern und Zeitzonenmarkierungen. „Der Eigenschatten der Kugel zeigt die Urzeit an“, erklärt er den Neugierigen. Obendrein kann man feststellen, welcher Erdteil gerade aus den Federn springt und wo man sich gute Nacht sagt.
Hellwach ist jedenfalls Seifenproduzent Dirk Schneider aus Meißen, alias „Der Einseifer“. An seinem Stand drängt sich die Kundschaft, schwelgt in exotischen Düften und greift ordentlich zu. Dirk Schneider freut’s. Es ist sein zweiter Auftritt beim Handwerkertag in Röthenbach. Nicht wegen des Umsatzes ist er hier, sagt er. Die Leute sollen sehen, wie die Sachen hergestellt werden. „Besonders für Kinder ist das eine schöne Erfahrung.“
Die Steppkes Maxi und Lucy aus Colmnitz haben gerade Herzchenseife mit Brombeer-Aroma produziert. Mutter Sandy Richter freut sich. „Schön, dass die Kinder selbst mitmachen dürfen“, findet sie. Ein „Seifensiederdiplom“ haben die beiden Stöpsel auch gekriegt. Fehlt bloß noch der Qualitätstest unter der heimischen Brause.
Von den Röthenbacher Steinmetzen und Seifensiedern, Gürtlern, Schmieden und Schmuckgestaltern nun zu den Holzwürmern ins Oelsabachtal. Bei Anett Wirthgen in Oelsas Holzbildhauerei Fischer ist Begängnis. Seit früh um neun schon. „Ich konnte noch gar keine Späne machen“, sagt die Chefin. Statt ihrer führt Lehrling Isabel Frühauf das Eisen. Aus einem Stück Lindenholz lässt sie eine Kuh an der Tränke auftauchen.
Die Arbeit macht der 19-jährigen Pirnaerin Spaß. Und sie ist spannend. Jedes Stück Holz hat seinen eigenen Charakter, auf den man sich einstellen muss, sagt sie. „Und es ist ein warmes Material, eben kein Kunststoff.“
Meisterin Wirthgen will mit ihrer offenen Werkstatt am Handwerkertag auf die Zunft hinweisen. „Das Handwerk soll am Leben bleiben“, erklärt sie. Für ihr Fach sieht die Oelsaerin allerdings keine Gefahr. Das Interesse am Beruf sei da, doch gebe es oft falsche Vorstellungen bei den Anwärtern. „Acht Stunden an der Werkbank stehen ist was anderes, als in der Schulbank sitzen.“
Was der Beruf seinen Vertretern abverlangt, weiß Helfried Mende ganz genau. Der Bildhauermeister hat 56 Jahre im Metier gearbeitet, heute schnitzt er den „Dippold“ für die Gäste im Rabenauer Stuhlbaumuseum. „Formgefühl und Naturverbundenheit sind wichtig“, sagt er. Von der Kundschaft wünscht sich der Senior mehr Verständnis, wenn es um die Entlohnung der Mühen geht. „Handarbeit ist Qualitätsarbeit. Und die hat ihren Preis.“