Von Anne Mechling
Görlitz. St. Carolus-Krankenhaus. Funktionsdiagnostik. Es ist vormittags, neun Uhr. Der Görlitzer Ballettdirektor Franz Huyer steht mit einem großen Blumenstrauß vor Chefarzt Prof. Dr. med. Hans-Willi M. Breuer.
Franz Huyer ist sichtlich bewegt. Ein Geburtstag – doch was für einer. Der 51-jährige Ballettchef feiert an diesem Tag noch einmal seinen Ersten und bringt die Blumen jenem Mann, der ihn geboren hat. Besser gesagt wiedergeboren – vor einem Jahr, als Professor Breuer den damals schwer Herzkranken buchstäblich dem Tod von der Schippe riss. Die folgende gänzliche Wiederherstellung des Ballettchefs erinnert fast an das Märchen „Gevatter Tod“, der Geschichte vom jungen Arzt, der den Tod überlistete und die Sterbenden heilte.
Doch im vorigen Jahr war das längst kein Märchen. Aus dem zähen Bemühen von Professor Breuer um eine Zukunft für seinen Patienten ist eine Freundschaft zwischen den beiden Männern entstanden. Und die wiederum führte zu einer guten Idee.
Der Ansatz dafür lag auf der Hand: Früherkennung und Vermeidung von Erkrankungen in einer bestimmten Berufsgruppe. In diesem Fall jener der Tänzer – auch Franz Huyer stand früher selbst auf der Ballettbühne. So war der Plan für die „Erste Görlitzer Tänzerstudie“ eine ganz logische Folge.
Denn auch das Hauptinteresse von Professor Breuer liegt in erster Linie auf dem Gebiet der Präventionsmedizin. Dafür forscht er und seine Ergebnisse fließen nicht nur in Veröffentlichungen und Vorträge, sondern auch in die Entwicklung völlig neuer Softwareprogramme zur Diagnostik ein.
Eines dieser Programme ermöglicht es nun, dass in Görlitz erstmalig für eine solche Studie gleichzeitig Datenerhebungen auf den Gebieten der Kardiologie, der Pulmologie und der Sportmedizin realisiert werden können.
Somit sind umfassende Auswertungen möglich, die für die Berufsgruppe der Tänzer signifikante Ergebnisse hervorbringen können. Die werden wiederum auf die Gestaltung der Betreuung und des Trainings von Tänzern Einfluss haben. Und damit auf die Optimierung dieser mit dem Leistungssport vergleichbaren Belastung.
In einer großen Pressekonferenz im Herbst dieses Jahres soll die Studie dann in Görlitz der medizinischen und tänzerischen Fachpresse vorgestellt werden. Dann sind die dafür erfassten, mehr als 50 000 Daten ausgewertet.
Bis dahin aber gibt es viel zu tun, und so ist heute auch die Tänzerin Anna Bresciani in der Abteilung Funktionsdiagnostik an die Geräte angeschlossen worden. Zwölf lange Minuten Belastungstest an EKG- und Blutdruckmessgeräten, Atemmaske und dabei mit den Beinen Pedale tretend. Obwohl das mehr als anstrengend aussieht, kein Problem für die junge Italienerin. Nur beim Blut abnehmen wird ihr schwummrig. Doch auch das steckt sie weg, die gute Stimmung im Raum hilft dabei. Und dass Anna Bresciani die schon sprichwörtliche Zähigkeit von Tänzern besitzt, ist hier für die Wissenschaft ein positiver Umstand.
Die Ergebnisse dieser Studie, für die sich Anna Bresciani wie alle Tänzer des GörlitzBalletts zur Verfügung gestellt hat, nützen später vielleicht Kollegen ihres Berufszweiges bei der Erhaltung ihrer Gesundheit und der Möglichkeit, den Anforderungen ihres Berufes lange gewachsen zu sein. Und dazu, Geburtstage gesund und in ganz normaler Abfolge feiern zu können.