Von Nadine Steinmann
Ottendorf. Volker Beduhn konnte es selbst nicht fassen. Denn der Geschäftsführer des Ottendorfer Mühlenbäckers konnte im vergangenen Jahr 16 neue Auszubildende in seinem Unternehmen begrüßen. Sei es als angehender Konditor, Bäcker, Fachverkäufer oder Logistiker. Damit habe sich die Zahl seiner Auszubildenden im Vergleich zum Jahr 2015 mehr als verdoppelt. Und das in einem Berufsfeld, in dem die Nacht spätestens um drei Uhr morgens vorbei ist. Zumindest für die Bäckerazubis.
Doch nicht jedes Unternehmen in Ottendorf-Okrilla hat so viel Glück wie der Mühlenbäcker. Vor allem im Gewerbegebiet der Großgemeinde suchen viele Firmen nach Auszubildenden. Um dem Lehrlingsmangel entgegenzuwirken, lassen sich die Unternehmen deswegen verschiedene Aktionen einfallen. Wie zum Beispiel die Firma FHR Anlagenbau. Kurz vor Weihnachten hatten Mitarbeiter des Betriebes der Oberschule von Ottendorf-Okrilla zehn Technikbaukästen „Maschinen und Getriebe“ übergeben. Das Unternehmen hofft auf diese Art und Weise, die Schüler bereits beizeiten für Technik beziehungsweise einen Ausbildungsberuf in diesem Bereich zu begeistern. „Wir konnten in diesem Jahr glücklicherweise zwei Auszubildende bei uns aufnehmen. Aber wir würden gern mehr junge Menschen ausbilden“, erklärte Mitarbeiterin Ruth Wachowiak vor wenigen Wochen gegenüber der Sächsischen Zeitung. So suche das Unternehmen bereits für August dieses Jahres wieder Lehrlinge. Drei bis fünf Stellen will FHR Anlagenbau ihrer Aussage nach anbieten. Gesucht werden vor allem zukünftige Mechatroniker.
Viele Ausbildungsplätze im Gewerbegebiet
Das Problem des Lehrlingsmangels im Gewerbegebiet ist bekannt, wie Frank Bösemüller, Vorsitzender des Gewerbevereins Ottendorf-Okrilla, gegenüber der SZ erklärt: „Im Gewerbegebiet gibt es insgesamt 80 Ausbildungsplätze. Von der Oberschule der Gemeinde gehen aber jährlich nur circa 40 Schüler ab.“ Also viel zu wenig. Und selbst diese 40 Schulabgänger bleiben natürlich nicht alle in Ottendorf-Okrilla oder interessieren sich für eine Ausbildung im Handwerk.
Der Gewerbeverein, in dem über 50 Ottendorfer Firmen vertreten sind, wirbt deswegen auch überregional um Auszubildende. Dafür beteiligen sich die Betriebe des Gewerbegebietes bei verschiedenen, zentral organisierten Veranstaltungen. Wie zum Beispiel bei der Aktion „Schau rein!“, die in diesem Jahr vom 13. bis 18. März in Sachsen stattfindet. Dabei haben Schüler der siebten Klasse die Möglichkeit, für ein paar Tage die Schulbank zu verlassen und echte Berufsluft zu schnuppern.
Frühzeitig Interesse wecken
Über 650 Unternehmen und Institutionen aus ganz Sachsen mit mehr als 16 500 Plätzen beteiligen sich an der Aktion und wollen den Schülern einen ersten Einblick in den Arbeitsalltag geben. „Ich freue mich, dass die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit bekommen, unsere Unternehmen von innen kennenzulernen. Es ist wichtig, dass das Interesse für einen Beruf so früh wie möglich geweckt wird. In Zeiten, in denen die Auszubildenden in Sachsen knapp werden, wollen wir jungen Menschen frühzeitig Einblicke in die Berufswelt ermöglichen und ihre Talente optimal fördern“, erklärt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig.
Und auch die Unternehmen im Ottendorfer Gewerbegebiet werden diese eine Woche im März wieder dazu nutzen, um junge Schüler für eine Ausbildung bei ihnen zu begeistern. Denn einfacher wird die Suche nach geeignetem Nachwuchs nicht. Zumal einige Firmen, wie beispielsweise IMS Robotics, in diesem Jahr ebenfalls auf Lehrlingssuche gehen. Die Firma ist im Bereich der modernen Umwelttechnik tätig und spezialisiert auf die Entwicklung und Fertigung von Robotern für die Kanalsanierung. „Wir wollen in diesem Jahr erstmals ausbilden. Es werden mindestens zwei Stellen zur Verfügung stehen“, berichtet Jan Schurig, Assistent der Geschäftsführung auf Nachfrage der SZ. Eine dritte Stelle könnte zudem für einen BA-Studenten geschaffen werden.
Kurzum: Die Nachfrage nach Auszubildenden reißt in Sachsen nicht ab. Und auch das Ottendorfer Gewerbegebiet bildet dabei keine Ausnahme. Eine verblüffende Ausnahme ist im vergangenen Jahr deswegen tatsächlich der Mühlenbäcker gewesen, der entgegen dem Trend einen Azubi-Rekord aufgestellt hat.
Anmeldungen für Unternehmen und Schüler für die sachsenweite Aktion „Schau rein!“ sind übrigens ab sofort im Internet möglich: www.schau-rein-sachsen.de