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Von Rio nach Radeberg

Fernanda Gagliardi und Laerte Theobald leben für ein Jahr in der Stadt Radeberg. Vier Dinge faszinieren sie an Deutschland.

Von Thomas Drendel
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Fernanda Gagliardi und Laerte Theobald aus Brasilien sind im Januar nach Radeberg gekommen. Er arbeitet für ein Jahr am Humboldt-Gymnasium.
Fernanda Gagliardi und Laerte Theobald aus Brasilien sind im Januar nach Radeberg gekommen. Er arbeitet für ein Jahr am Humboldt-Gymnasium. © Steffen Unger

Radeberg. Von wegen Brasilianer: Wenn Laerte Theobald spricht, ist nichts von seiner Herkunft zu hören: Kein Akzent, kein langes Suchen nach den richtigen Wörtern, keine Grammatikfehler. „Das hat mit meinen familiären Wurzeln zu tun“, sagt der 33-Jährige. 

„Meine Vorfahren wanderten 1880 von Deutschland nach Brasilien aus und siedelten sich ganz im Süden in ländlichen Gebieten an. Dort wird immer noch Deutsch gesprochen, auch bei uns Zuhause.“ Bei solchen Sprachkenntnissen war dann fast schon folgerichtig, dass er Deutschlehrer wurde. „Ich habe in Sao Paulo studiert und hatte dann das Glück in einer Privatschule in Rio de Janeiro angenommen zu werden“, sagt er. Einen weiterenGlücksfall gab es für ihn im vergangenen Jahr. Damals bewarb er sich beim Pädagogischen Austauschdienst (PAD) für eine einjährige Weiterbildung in Deutschland. „Ich wurde genommen und das Beste daran ist, ich kann hier auch als Lehrer arbeiten“, sagt er. Eine Ausnahme, die es nur in Sachsen gibt, bestätigt seine Betreuungslehrerin Heike Loitsch. „In anderen Bundesländern sind sie oft nur als Assistenten tätig“, sagt sie. 

Seit Januar ist Laerte Theobald jetzt in Deutschland und gibt im Humboldt-Gymnasium Radeberg Unterricht. Vorläufig vor allem Vertretungsstunden, ab nächstem Schuljahr eventuell sogar mit eigener Klasse. „Außerdem biete ich nachmittags einen Kurs ,Portugiesisch für Anfänger‘ an. Der ist auch schon ganz gut besucht.“ Arbeit als Lehrer mit einem kleinen Gehalt – Da konnte auch seine Frau mit nach Deutschland kommen. Fernanda Gagliardi ist Anwältin. „Ich habe mir für die Zeit ein Sabbatical, also eine einjährige unbezahlte Auszeit genommen.“ Sie will die Zeit nutzen, um Deutsch zu lernen. Das Problem dabei: In Radeberg wird kein Kurs Deutsch als Fremdsprache angeboten, sagt sie. Beide wohnen in einer kleinen Wohnung in der Stadt. „Das ist auch so ein Glücksumstand.“ Möglich wurde das durch das Engagement der Lehrer am Humboldt-Gymnasium und anderer Radeberger. „Als klar war, dass die beiden zu uns kommen, habe ich bei der Städtischen Wohnbau angefragt und dort waren alle sehr hilfsbereit. Auch bei der Ausstattung packten viele an, spendeten Möbel oder Geschirr“, erzählt die Betreuungslehrerin. „Wir hoffen, dass wir die Wohnung halten können, auch wenn Fernanda und Laerte wieder weg sind. Zu uns an die Schule kommen immer wieder Referendare oder eben ausländische Lehrer. Vielleicht kann sich jemand aus Radeberg vorstellen, die Räume in den freien Zeiten als Ferienwohnung zu betreiben und so die Miete für diese Übergangsperioden hereinzubekommen“, wünscht sich Heike Loitsch. „Es wäre schade, wenn wir diese komplett eingerichteten Räume wieder abgeben müssten.“

Fühlen sich hier sicherer

Was den beiden Brasilianern seit der Ankunft hier in Deutschland besonders aufgefallen ist? „Die Sicherheit hierzulande. Wir können uns hier frei bewegen, mit Bussen oder mit dem Fahrrad fahren. In Rio ist die Kriminalitätsrate sehr hoch. Da werden viele Fahrten nur mit dem Auto unternommen“, sagt Fernanda Gagliardi. Für ihren Mann ist die Kaufkraft überraschend hoch. „Wir waren einmal essen und haben uns gefreut, wie günstig das war. Zu zweit haben wir um die 20 Euro bezahlt. Das ist im Verhältnis zum Gehalt wenig. In Brasilien müssten wir einen großen Teil des Einkommens dafür verwenden.“ Außerdem ist die Architektur atemberaubend, sagt Laerte Theobald. „In Brasilien gibt es ja keine Schlösser oder Burgen. Auch solche Kunstausstellungen wie in Dresden gibt es bei uns nicht. Wir haben uns schon Jahreskarten für die Kunstsammlungen besorgt. Auch auf der Museumsinsel in Berlin waren wir schon.“ Außerdem sind sie vom Wechsel der Jahreszeiten fasziniert. Die Natur ist ja in den vergangenen Wochen förmlich explodiert. Plötzlich das viele Grün und die vielen Blüten. Diesen Wechsel gibt es bei uns nicht.“

Für das Humboldt-Gymnasium findet er ebenfalls nur lobende Worte. Die Ausstattung, schon allein das Schulgebäude, ist in Brasilien eher selten. Dann ist ihm aufgefallen, dass die Schüler hier konzentrierter arbeiten. „Hier geht es ruhiger zu, konzentrierter.“ Bis Januar 2020 bleiben sie noch in Radeberg. In dieser Zeit haben sie sich noch viel vorgenommen. „Bautzen und Görlitz wollen wir noch sehen, aber auch Leipzig und den Kölner Dom. Vielleicht schaffen wir es im Sommer auch nach Portugal. Schon wegen der Sprache.“