Von Iris Schmidt
Bis Schulterhöhe stand das Wasser im Ratskeller von Dresden und hat Farben und Putz mit sich weggerissen. Mittlerweile sieht man schon wieder grüne und violette Girlanden und Blätter am Gewölbe, von Blattgold durchsetzt. Aber der Sockel, der ist einfarbig, muss noch ganz gleichmäßig wiedererstehen. Die Bordüre zwischen den verschlungenen Motiven und dem Paneel fehlt noch. Dietmar Frauenstein aus Fischbach ist mutterseelenallein im Untergeschoss des Dresdner Stadthauses. Hier, wo einst die Dresdner Ratsherren munter becherten und es sich später viele Touristen und Sachsen schmecken ließen, da hat er einen einfachen Stuhl, einen Tisch und eine Bogenlampe zur Verfügung. Jeden Morgen um halb acht stolpert er durch die dunkle Küche und den Gastraum. Da gibt es wenigstens schon neuen Estrich, nachdem die Elektrik, die komplett dem Hochwasser im vergangenen Jahr zum Opfer fiel, erneuert wurde. An eine Wiedereröffnung ist vorläufig nicht zu denken, zumindest bis Ende Juli nicht. So lange hat Dietmar Frauenstein, Mitarbeiter in der Firma von Malermeister Mütze aus Fischbach, hier noch zu tun.
Als er im August des vergangenen Jahres von dem Hochwasser-Unglück hörte, hat er sich aus Fischbach gleich auf den Weg gemacht. „Mir kamen fast die Tränen, als ich hier gestanden habe“, erinnert sich der 57-Jährige. Gerade zwei Jahre zuvor hatte er hier schon einmal gewirkt und dann stolz seiner ganzen Familie sein Werk gezeigt. „Da gab es viel Bewunderung, Ahs und Ohs“, so Frauenstein weiter. Und jetzt? „Der Ratskeller wird wieder so schön, wie er einmal war“, versichert er. Noch fällt es schwer, das zu glauben. Aber der erfahrene Illusionsmaler ist der richtige Mann am richtigen Ort. Mit Hilfe einer Dokumentation geht er akribisch vor. „Da muss man sich Zeit lassen“, weiß er aus seinen Erfahrungen auf Schloss Weesenstein und in der Semperoper. Hier - wie übrigens auch in den Zimmern seiner beiden Enkel - hat er die Illusion perfekt gemacht. Bei dem einen springt ein Leopard durch den Raum, der andere hat einen speziellen Himmel bekommen, schläft und träumt zwischen Mond und Sternen. Auch den Giebel seines Fischbacher Hauses hat er mit Blindfenstern versehen. Die alte Schmiede wirkt dadurch mächtig aufgepeppt. Und im Wohnhaus hängen seine Bilder. Denn auch in der Freizeit hat er den Pinsel in der Hand. Er malt Ölbilder: Tiere, Landschaften und Porträts. Aber wie gesagt, nur in Öl. „Das gibt ganz tolle Strukturen, anders als nur mit Wasserfarben“.
Chemigraph hat er gelernt, als es noch das Verfahren des Hochdrucks bei Zeitungen gab. Mit dem Offsetdruck verschwand der Beruf. Dietmar Frauenstein ging zur Möbelfabrik Radeberg, heute Köckritz. Hier hat er zu DDR-Zeiten Schränke und Tische, die für den Export bestimmt waren, restauriert. Als nur noch Schrankwände in Mode waren und gebaut werden durften, warf der kreative Mann das Handtuch und war anschließend etwa zehn Jahre im damaligen Beleuchtungsglaswerk in Bischofswerda tätig. Da hat er sich mit Glasmalerei beschäftigt. „Ja, es musste immer mit dem Malen zu tun haben“, sagt er erinnernd. So wie andere Fußball spielen oder eine Modelleisenbahn im Keller aufbauen, haben es ihm die Farben angetan. Eigentlich wollte er ja Bühnenmaler in den Theaterwerkstätten werden. Aber das hat leider nicht geklappt. Auch unmittelbar vor seiner Haustür, in Arnsdorf, hat er gewirkt. Die Krankenhauskirche gehört mit zu seinen Referenzobjekten. Er weiß, er muss sich als Restaurator seinem Vorgänger anpassen. Im Ratskeller war das Paul Rössler. Der hat die Stube für die Gelage 1908 bis 1910 ausgemalt. Die dunklen, kräftigen Farben passen gut zum schweren Eichenmobilar, findet Frauenstein. Die Tische und Stühle sind schon sehr wuchtig, aber es hat alles Stil hier.
Der Mann in dem bekleckerten Malerkittel schaut sich um. Ja, hier wird wieder was. Er, Frauenstein, kniet sich tüchtig rein. Er ist einer, der Spuren hinterlässt, wenn auch anonym. In „seine“ Ratsherrenstuben möchte er als Maler so bald nicht wiederkommen, höchstens als Gast. „Nein, eine Flut brauchen wir nie wieder“, sagt der Fischbacher noch sichtlich beeindruckt.