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Von wegen Schrott

Recycling. Den Händlern von Stahlschrott geht es gut – doch ihr Rohstoff wird ein knappes Gut.

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Von Ulrich Wolf

Die Ware ist heiß begehrt: Im Juni werden 45 Tonnen Schienen von einem Nebengleis der historischen Kohlebahn im thüringischen Meuselwitz gestohlen. Im August lösen sich im ostsächsischen Eberbach zwei Schrottcontainer in Luft auf. Von einem Güterzug zwischen Rotterdam und dem schwäbischen Vöhringen verschwinden 690 Kilogramm Kupferbarren, im nordbayerischen Sulzbach 758 Meter Kupferkabel und in Straubing 123 Wellblechplatten.

Nahezu wöchentlich veröffentlicht die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) solche Meldungen im Internet, um vor dem Aufkauf der gestohlenen Ware zu warnen. „Beschaffungskriminalität“ nennt das Bernd-Ulrich Scholz, Vorstandschef der württembergischen Scholz AG. Die Schwierigkeiten beim Beschaffen von Schrott ist eines der Themen, mit denen sich die rund 300 BDSV-Mitglieder auf ihrer Jahrestagung gestern in Dresden beschäftigten.

Wegen der hohen Nachfrage seien die Schrottpreise massiv gestiegen (siehe Kasten). „Während wir im Verkauf keine Probleme haben, herrscht im Einkauf ein großer Kampf“, sagt der Manager, dessen Firmengruppe eine Größe in der Branche ist: Die Scholz AG mit ihren 3 500 Mitarbeitern verwertet jährlich rund sieben Millionen Tonnen Stahlschrott und macht damit fast zwei Milliarden Euro Umsatz.

Ein Viertel davon liefert die Scholz-Tochter in Leipzig mit Niederlassungen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Seit ihrem Start 1992 in Espenhain hat die Firma rund 700 Arbeitsplätze geschaffen und zählt mit einem Umsatz von 420 Millionen Euro zu den 40 größten Unternehmen Ostdeutschlands. „Wir wollen unseren Absatz von etwa 120 000 Tonnen monatlich noch steigern“, sagt der Chef der Leipziger Scholz-Tochter, Andreas Steinke. Jammern über Wettbewerbsnachteile ist nicht sein Ding. Polen und Tschechen hätten seit ihrem EU-Beitritt nahezu dieselben Umweltauflagen – „mit Ausnahme der Reststoffverwertung“. Er bedauere zwar, dass die Scholz-Schredderanlagen nicht alle ausgelastet sind, weil zum Beispiel gut zwei Drittel der in Deutschland still gelegten Autos ins Ausland transportiert würden. „Aber wir haben ja dort auch Firmen und umgehen so den Schrotttourismus.“

Anton van Genuchten, BDSV-Vizepräsident und Geschäftsführer vom deutschen Branchenprimus TSR Recycling GmbH & Co. KG in Bottrop, hingegen sieht das nicht so locker. Die Deutschen interpretierten das EU-Recht zu strikt, sagt der gebürtige Niederländer. Er registriere eine „Regelsucht“, die für die BDSV-Unternehmen mit ihren insgesamt 35 000 Beschäftigten zum Problem werde. Eine 25-Mann-Firma seiner Branche müsse 26 gesetzlich vorgeschriebene Vorschriften erfüllen. Das sei nicht mehr normal. Die Regulierungswut habe ein Ende, wenn Stahlschrott endlich als das anerkannt werden würde, was es ist: „Nicht Schrott, sondern Rohstoff.“

www.bdsv.de