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Vor Gericht: Rentnerin auf Crashkurs

Eine Roßweinerin soll auf dem Steigerhausplatz in Döbeln einen Unfall verursacht haben. Aber saß sie wirklich am Steuer?

Von Cathrin Reichelt
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Die Strafprozessordnung auf dem Tisch der Richterin.
Die Strafprozessordnung auf dem Tisch der Richterin. ©  dpa / Symbolbild

Döbeln/Roßwein. Fahren ohne Führerschein und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort wirft die Staatsanwaltschaft einer 68 Jahre alten Roßweinerin vor.

Bereits im September 2018 soll die Rentnerin auf dem Döbelner Steigerhausplatz einen Unfall verursacht haben und, ohne sich um das beschädigte Fahrzeug zu kümmern, wieder weggefahren sein. Auch einen Führerschein soll sie zu diesem Zeitpunkt nicht besessen haben. 

Weder sie noch ihr Verteidiger Martin Göddenhenrich äußern sich zu den Vorwürfen. Es gibt allerdings mehrere Zeugen, die das Geschehen beobachtet haben.

Vier Mitarbeiterinnen einer Behörde an der Burgstraße waren an dem Septembertag kurz nach 12 Uhr auf dem Weg zur Mittagspause. Vom Polizeigebäude kommend, seien sie in Richtung Kino über den Steigerhausplatz gelaufen. Auf dem habe der Chef einer Fahrschule mit einer Fahrschülerin geübt. Merkwürdig sei gewesen, so sagen die Frauen, dass ein roter Golf, der scheinbar nicht zu dem Fahrschultraining gehörte, diesen Bereich mehrfach umrundet hat.

Die Fahrweise des Golfs sei stockend gewesen und habe unsicher gewirkt. Als die Frauen auf Höhe der AOK angekommen waren, sei das Auto an ihnen vorbei gefahren und ungebremst in einen Renault gekracht, der im Bereich der Sporthalle geparkt war. Auf der Fahrerseite des Golfs sei eine Frau ausgestiegen, die einen sehr erschrockenen Eindruck gemacht habe. 

Auch der Beifahrer, ein Mann, sei ausgestiegen und habe die Frau beschimpft.Dann hätten beide die Plätze getauscht und der Mann habe den Golf parallel zum Renault eingeparkt. Die Zeuginnen, so sagen alle, hätten darauf vertraut, dass die Verursacher den Unfall bei der Polizei anzeigen und dem Halter des Renault zumindest eine Nachricht hinterlassen. 

Nachdem sich eine der Verwaltungsmitarbeiterinnen die Kennzeichen der beiden Fahrzeuge notiert habe, seien sie zum Mittagessen weitergegangen.Etwa eine halbe Stunde später hätten sie sich auf dem Rückweg den Renault näher angesehen. 

An der Beifahrerseite habe der eine Delle und rote Striemen gehabt. Und unter dem Scheibenwischer steckte tatsächlich ein Zettel. Den hatten allerdings nicht die Unfallfahrer hinterlassen, sondern der Fahrschullehrer.Er hatte den Unfall zwar nicht gesehen, aber einen dumpfen Knall gehört und sich sofort in diese Richtung umgedreht. 

Auch er habe die beiden aussteigen sehen – die Frau auf der Fahrer- und den Mann auf der Beifahrerseite. Auch er habe sich die Kennzeichen notiert und beobachtet, wie die beiden Golfinsassen sich den Schaden am Renault angesehen haben. Dann seien die beiden in den roten Golf gestiegen, der Mann als Fahrer und die Frau als Beifahrer und seien durch die Ausfahrt zwischen AOK und Sporthalle weggefahren, ohne sich weiter um den Renault zu kümmern. 

Daraufhin habe der Fahrschullehrer die Polizei gerufen. Auch die vier Frauen seien nicht sofort zu ihrer Arbeit zurückgekehrt, sondern hätten den Vorfall zuerst bei der Polizei geschildert.Dass es sich bei der Unfallverursacherin um die Angeklagte handelt und bei dem Beifahrer um deren Ehemann, darin waren sich fast alle Zeugen einig, obwohl das Ehepaar das Einzige war, das während der Verhandlung eine Schutzmaske trug. 

Die Zeugen hatten beide bereits zuvor im Gerichtsgebäude gesehen und auch an deren Körperhaltung und Gang wiedererkannt. Sie ließen sich auch nicht vom Verteidiger beirren, der immer wieder das Alter der Frau ins Spiel brachte, das alle Zeugen wesentlich jünger eingeschätzt hatten.

Richterin Nancy Weiß sah die Tatvorwürfe als gegeben an. Eine Nachfrage beim Landratsamt hatte auch ergeben, dass die Roßweinerin tatsächlich keinen Führerschein besitzt. Sie wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. 

Außerdem darf sie in den nächsten sechs Monaten keinen Führerschein erwerben und muss die Kosten des Verfahrens tragen. Damit blieb die Richterin unter der Forderung der Staatsanwältin. Sie hielt 70 Tagessätze zu je 25 Euro für angemessen. Die Richterin hielt der Angeklagten zugute, dass sie bisher straffrei war. Außerdem betrage der Schaden am Renault laut Gutachten zwar rund 5.700 Euro, der Wiederbeschaffungswert allerdings nur 2.400 Euro. „Es ist eine Tat mit Ausnahmecharakter“, so Nancy Weiß.

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