Von Miriam Schönbach
Auf keinen Fall will Wulf-Otto Ehrhardt langsam austrudeln. „Ich mache volle Power bis zum letzten Tag“, sagt der Schulleiter vom Schiller-Gymnasium. In wenigen Tagen verabschiedet er sich nach 38 Jahren aus dem Schuldienst. Früh gegen fünf wird er sich wie immer an den Frühstückstisch setzen, Zeitung lesen und Radio hören, eine halbe Stunde später steigt er dann auf sein Motorrad, ein paar Erledigungen warten sicher noch auf ihn. „Und dann mache ich die Kiste Schule zu. Es geht immer weiter“, sagt er mit Lust. Und man glaubt Wulf-Otto Ehrhardt aufs Wort, dass er in der Zukunft noch viel vorhat.
„Vielleicht fahre ich am nächsten Tag früh in den Garten, um halb acht frühstücke ich dann mit meiner Frau, selbstverständlich mit frischen Brötchen“, sinniert er. Auf jeden Fall würde er nicht zurückschauen, weder mit Wehmut, noch mit Sehnsucht. Entscheidungen, die er getroffen hätte, stelle er nie in Frage. Auch nicht jene, als er statt Maschinenbau zu studieren, sich auf „Anraten“ der Eltern für den Lehrerberuf entschließt.
„In Mathematik und Physik hatte ich in der Schule die größten Erfolge“, erklärt er die Fächerwahl. Nach dem Studium wird der gebürtige Wittenberger an die EOS „Friedrich Schiller“ in Bautzen delegiert. Mit 22 Jahren steht Wulf-Otto Ehrhardt vor seiner Klasse, als Physiklehrer interessiert ihn die gerade entstehende Computertechnik. Er folgt schon damals dem Prinzip: Ein Lehrer kann nur von den Schülern verlangen, was er auch selbst kann.
Diesem Motto ist er bis heute treu geblieben. „Der Lehrer begleitet den Schüler auf einem Stück Lebensweg. Seine Aufgabe ist es, ihn zum Erfolg zu führen“, resümiert er. Nach der Wende avanciert er zum Schulleiter des neu gegründeten Schiller-Gymnasiums. Innerhalb kürzester Zeit schnellt die Schülerzahl von 270 auf über 1 200. Die Geschicke der Schule in rechte Bahnen zu führen, erfordert Managerqualitäten. Privates muss er in dieser Zeit oft vernachlässigen.
„Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich neue Lebensziele setzt“, sagt Wulf-Otto Ehrhardt. Dieser Augenblick ist nun gekommen. Ganz oben auf der Liste steht, Zeit mit seiner Frau Brigitte zu verbringen. Aber auch die vier Enkelkinder haben schon im Sommer Urlaub ohne Eltern bei Oma und Opa gebucht. Von Hobbys ganz zu schweigen. Vor ein paar Jahren hat der Bautzener durch einen Freund seine Liebe zum Segeln entdeckt. Bei einem Bootsurlaub in Holland mit seiner Frau und seinen älteren Schwestern fasst er Vertrauen zum nassen Element, will mehr über Schifffahrt erfahren. Wieder zu Hause macht er auf dem Bautzener Stausee seinen Segel- und Motorbootschein. Inzwischen war er unter anderem bei Segeltörns auf der Schonerbrigg „Greif“ dabei. „Bei Wind und Wetter geht es auf die Masten. Zuerst kostet es Überwindung, aber dann freuen sie sich, wenn sie nachts bei Mondschein raufdürfen. Der Blick übers Meer ist einmalig“, schwärmt er. Der nächste Segelausflug ist im Oktober geplant – mit Freunden.
Viele Hobbys im Blick
Aber Wulf-Otto Ehrhardt zieht es nicht nur in die Weite. Schiffs- und Bootsmodelle stehen auf den Schränken und erzählen von einer anderen Leidenschaft. „Im Winter will ich bauen, im Sommer muss ich ihnen das Fliegen beibringen. Natürlich funktionieren die Modelle“, sagt er. Genauso wie übrigens die Melodieklingel an der Haustür. Diese Sonderanfertigung hat der Pädagoge 1986 gemeinsam mit Schülern ausgetüftelt. „Wir haben damals die Marktlücke erkannt, so was gab es nicht in Läden. Meine Arbeitsgemeinschaft ist mit der Klingel in Serie gegangen“, erinnert sich der Pensionär in spe. Das verdiente Geld kam damals der Klassenfahrt zugute.
Motorradfahren, Lesen, Computer, Garten, eine Ahnentafel – Wulf-Otto Ehrhardt fallen immer noch neue Steckenpferde ein. Die Schilleranlagen will er allerdings in den – vielleicht – kommenden zwei Jahren ein wenig meiden. „Ich will mich nicht in die neuen Abläufe einmischen“, sagt er. Und ein bisschen Wehmut liegt schon im Abschied.