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Vorsicht, Kamera!

Im Elbland gibt es ein dichtes Netz an Überwachungskameras. Doch wer kontrolliert es eigentlich?

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Von Peter Anderson und Wolf Dieter Liebschner

Der ganz normale Elbländer ist ein Filmstar. Er merkt es nur nicht. Wenn er sich früh an der Tankstelle seinen Kaffee holt, wird er zum ersten Mal gefilmt. In der Sparkasse nimmt ihn die nächste Kamera beim Geldabheben auf. Auf der Fahrt nach Dresden in der S-Bahn wird er gleich von mehreren Objektiven ins Visier genommen. Am Abend – bei einem kurzen Einkaufsbummel – entsteht erneut ein kurzes Filmchen von ihm. Sein ganzer Tag ließe sich so fast lückenlos dokumentieren.

Besonders Tankdiebstähle haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, auch in Radebeul. Die Bilder, die die Überwachungskameras (kl. Foto) von den Zapfsäulen und aus dem Verkaufsraum der Tankstelle Lößnitz-Tank liefert, werden an einen Monitor im Bür
Besonders Tankdiebstähle haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, auch in Radebeul. Die Bilder, die die Überwachungskameras (kl. Foto) von den Zapfsäulen und aus dem Verkaufsraum der Tankstelle Lößnitz-Tank liefert, werden an einen Monitor im Bür

Für den Sprecher der Bündnisgrünen im Landkreis Thoralf Möhlis ist dieses Drehbuch ein Albtraum. Mit zunehmender Selbstverständlichkeit würden ganze Straßenzüge mit Kameras überwacht. Jeder, der dort unterwegs sei, werde unabhängig vom eigenen Verhalten wie ein potenzieller Straftäter behandelt und ständig anonym beobachtet.

Die Praxis zeigt Möhlis zufolge, dass die Kamera nur eine Scheinlösung bietet. Leichte und mittlere Kriminalität werde durch sie aus hell erleuchteten Einkaufszentren in dunkle Nebenstraßen verdrängt. Das Problem an sich bleibe bestehen. Statt mehr Videoüberwachung brauche es daher eine effektive Polizeiarbeit in der Fläche inklusive Präventionsarbeit, argumentiert der Kommunalpolitiker.

Johannes Lichdi, Landtagsabgeordneter der Bündnisgrünen mit Büro in Meißen, kritisiert vor allem die fehlende staatliche Kontrolle. Zwar sei für die Kameraüberwachung eines privaten Grundstücks keine Erlaubnis nötig. Oft jedoch werde von dort bis auf die Straße vor dem Grundstück gefilmt. Das sei nicht zulässig. Eine Datenbank mit den Standorten der Überwachungskameras existiere nicht. Für die Kontrolle sei der sächsische Datenschutzbeauftragte zuständig. Diesem fehlte aber das nötig Personal. Eine weitere Frage sei der Umgang mit dem Filmmaterial. Dieses muss eigentlich nach Ablauf bestimmter Fristen gelöscht werden. Kontrolliert werde das allerdings sehr selten.

Für die Tankstelle Lößnitz-Tank in Radebeul ist Videoüberwachung unabdingbar. „Seit Jahren haben wir diese Technik installiert“, sagt Mitinhaberin Cornelia Centner. „Sowohl die Zapfsäulen als auch der Verkaufsraum werden beobachtet.“Zwar gebe es auch im Shop Langfinger, aber besonders der Tankdiebstahl habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen, konstatiert Cornelia Centner. „Im Durchschnitt haben wir wöchentlich zwei bis drei Fälle.“ Die Verluste für die Tankstelle summieren sich damit pro Monat auf 500 bis 1 000 Euro.

Die Deutsche Bahn gibt mit Verweis auf Sicherheitsrisiken keine Auskünfte über Details ihres Überwachungsnetzes. Damit bleibt unklar, ob etwa der geplante Haltepunkt Altstadt in Meißen oder der aktuell modernisierte Bahnhof in Coswig künftig mit Kameras überwacht werden. Nur soviel: „Entsprechend der datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind die kameraüberwachten Bereiche in Fahrzeugen und auf Bahnhöfen gekennzeichnet.“ Die Aufnahmen seien 48 Stunden gespeichert. Mitarbeiter hätten keinen Zugriff. Sollte der Verdacht auf eine Straftat bestehen, dürfe nur die Polizei die Aufnahmen auswerten.

Während die Bahn auf ihrem privaten Grund ohne Genehmigung filmen darf, wird im öffentlichen Raum eine Erlaubnis gebraucht. Im Kreis Meißen hat es einen solchen Vorstoß für eine größere Fläche in Klipphausen gegeben. Um die Sicherheit im Gewerbegebiet zu erhöhen, wollte die Gemeinde Ende 2009 mehrere Videokameras installieren. Sie sollten Zu- und Ausfahrten, Plätze, Anlagen und Gebäude kontrollieren. Zuvor war es vermehrt zu Diebstählen gekommen. Sachsens Datenschutzbeauftragter stoppte die Pläne allerdings.

Der Meißner CDU-Kreisverbandsvorsitzende Geert Mackenroth kann dies nur schwer nachvollziehen. Er verweist auf das Sächsische Polizeigesetz. Demzufolge dürfen „besonders gefährdete Objekte“ mit Kameras überwacht werden. Dazu könnte auch ein Gewerbegebiet zählen, in dem die Kriminalität überhandnimmt. Gesetzlich sei der Fall in Sachsen klar geregelt. In der Praxis gebe es allerdings Defizite.

Im Coswiger Stadtgebiet sind zwei Kameras installiert, am Rathaus und an der Hauptstraße. „Das sind aber Webcams“, sagt Ordnungsamtsleiter Olaf Lier. Im Minutentakt wechseln die Standbilder. „Coswig präsentiert sich damit auf seiner Internetseite.“ Für Überwachung seien die Bilder allerdings kaum geeignet. Man könne damit zwar etwa Graffiti-Schmierereien und sonstigen Vandalismus samt exakter Uhrzeit dokumentieren, aber nicht aufklären. Ohnehin sei Coswig ein eher ruhiges Pflaster.