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Teuflischer Kreislauf für Waldbesitzer

Schädlinge, Dürre, Brände und nun auch noch Corona: Forstwirte wie Georg Lindner sind der Verzweiflung nahe.

Von Rainer Könen
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Forstwirt Georg Lindner aus Großröhrsdorf bewirtschaftet 32 Hektar Wald. Viel Freude hat er momentan nicht daran.
Forstwirt Georg Lindner aus Großröhrsdorf bewirtschaftet 32 Hektar Wald. Viel Freude hat er momentan nicht daran. © Marion Doering

Wenn die Dinge im Leben mal nicht gut liefen, dann, so erinnert sich Georg Lindner, hat seine Mutter ihn früher oft damit beruhigt, dass doch „alles wieder gut wird“. Ein Satz, der sich dem heute 60-jährigen Diplom-Forstwirt eingebrannt hat, dessen Wirkung ihm aber in „einer Zeit wie dieser“ nicht mehr so richtig helfen kann. 

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Lindner ist Waldbesitzer. ihm gehört in Großröhrsdorf ein 32 Hektar großes, unweit der Autobahn gelegenes Waldgebiet. Dazu verwaltet und bewirtschaftet er noch Wälder in Thüringen und der Oberlausitz. Er sei Waldbesitzer und Dienstleister in einem, erklärt der gebürtige Passauer. Wenn er in diesen Tagen durch den Forst geht, „brauche ich innere Stärke, um all das zu ertragen, was man da so sieht“. Knockentrockenes Laub, Totholz, kranke und ausgelaugte Bäume, über die sich nicht nur der Borkenkäfer hermacht, sondern mittlerweile auch andere Baumschädlinge. Und dazu fehlt der so dringend benötigte Regen. Es sei viel zu trocken in diesem April. „Sieht so aus, als ob wir ein weiteres Dürrejahr bekommen werden“, meint er, sein Gesicht wirkt dabei recht düster. Waldbesitzer wie Lindner fragen sich derzeit, was sie tun sollen, ja, überhaupt noch tun können, um den Wald zu retten. Schädlinge, Trockenheit, Brände: All das setzt dem deutschen Wald schon seit Jahren zu. 

Seit 2017 „befinden wir uns im Krisenmodus“, erzählt Lindner, der seit der Wende in Sachsen lebt. Und meint insbesondere diejenigen, die sich um den Schutz, um den Erhalt, um die wirtschaftliche Nutzung des Waldes kümmern. Doch wie solle man aus diesem „teuflischen Kreislauf“ jemals wieder herauskommen, fragt sich der 60-Jährige. Früher, wenn es einen heftigen Sturm gegeben habe, dem zahlreiche Bäume zum Opfer gefallen sei, habe man sich daran gemacht, die Schäden zu beheben. „Die Schadensregulierung, die hatte man gut im Griff.“ Und heute? Fühlen sich Menschen wie Lindner den Naturgewalten mehr denn je ausgeliefert. „Seit einem Vierteljahrhundert sprechen wir von den gravierenden Veränderungen, die der Klimawandel verursacht“, aber, so fragt Lindner, „ernsthaft unternommen wird - nichts“. 

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Als Forstwissenschaftsstudent hat er in den 80er Jahren das erste deutsche Waldsterben im Bayerischen Wald hautnah mitbekommen. Und jetzt erlebe er die zweite Welle eines deutschen Waldsterbens, das vermutlich ungeheuerliche Ausmaße annehmen werde. Das verunsichere ihn sehr. „Man muss als Forstmensch derzeit eine gewaltige Stressresistenz haben“. Und nun komme noch diese Corona-Krise dazu. Da dürfte ziemlich klar sein, prognostiziert Lindner, dass das Thema Wald, die Dürre und mit all ihren negativen Folgen für eine lange Zeit „ganz weit in den Hintergrund“ rücken wird. Heißt für Lindner und alle anderen Waldbesitzer, dass man, schon aus existenziellen Gründen vom Krisenmodus in den Durchhaltemodus umschalten muss. Irgendwie jedenfalls.

Schließlich steht einiges auf dem Spiel. Ein Drittel Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Doch von den 11,4 Millionen Hektar sind bereits 110 000 vertrocknet. Gut 70 Millionen Kubikmeter - in der Forstwirtschaft spricht man von Festmetern - Schadholz liegt derzeit in den Forsten: Bäume, die der Sturm abgeknickt hat, die verdurstet sind, oder denen Schädlinge den Garaus gemacht haben. Oder Rehe, die gern die jungen Triebe abfressen. Fichten, Buchen, Eichen, viele sind betroffen. 70 Millionen Festmeter, das entspricht etwa einer normalen Jahresholzernte. Doch was ist nach zwei Dürrejahren in Folge schon normal im Wald. Das liegt allerdings nicht nur am Klimawandel, sondern auch an Fehlern der Vergangenheit. In vielen ostdeutschen Regionen sind noch immer 70 Prozent der Waldbäume Kiefern. Solche Monokulturen sind besonders anfällig für Schädlinge, breiten sich Brände in reinen Kiefernwäldern schneller aus als in Mischwäldern. 

Lindner gehört zu den zwei Millionen Menschen in Deutschland, die Wald bewirtschaften. Er stammt aus einer Familie, die „seit Generationen Wald“ besitzt. Nicht viel, aber genug um sich am Ende eines Jahres immer über einen kleinen Ertrag zu freuen. Der 60-jährige Diplom-Forstwirt ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder, fragt sich in diesen Tagen oft, was für einen Wald er seinen Kindern einmal hinterlassen wird. Bei dem nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandel, den zunehmenden Dürreperioden. Er erzählt vom ständigen Zeitdruck in diesen Wochen. „Das Schadholz muss schnell raus dem Wald.“ Um das Holz nicht ganz unter Wert verkaufen zu müssen. Mit dem Wald könne man kaum noch was verdienen. Mittlerweile sei so viel Holz auf den Markt, so Lindner, die Preise seien regelrecht im Keller. Gab es vor Jahren für den Festmeter Holz rund 90 Euro, kann man gegenwärtig nur noch mit höchstens 30 rechnen. Durch Corona sei der Absatz von Holz nun völlig zum Erliegen gekommen. 

Wenn es wenigstens regnen würde. Am besten so ein kräftiger, langanhaltender Landregen. Aber, Georg Lindner schaut zum Himmel, „sieht nicht danach aus“. Dabei bräuchten die Bäume, die Felder, überhaupt die Natur doch so viel Wasser. Wird wohl also doch nicht alles wieder gut. In seinem Wald in Großröhrsdorf. In den deutschen Wäldern überhaupt.

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