Familie Kormeier, wie sind Sie zu dieser verantwortungsvollen Aufgabe gekommen?
Durch unsere Tochter. Sie hat 1999 in der JVA ein Praktikum gemacht. Dabei ist ihr aufgefallen, dass es viele Gefangene gibt, die keinen Kontakt zu ihren Angehörigen haben und keinen Besuch bekommen. Unserer Tochter meinte: Um die könntet Ihr Euch vielleicht kümmern. Inzwischen machen wir das seit zehn Jahren.
Gibt es von der JVA Vorgaben, wie Sie mit den Häftlingen umgehen sollten?
Beim ersten Besuch begleitet den Gefangenen eine Sozialarbeiterin. Zuvor gibt es eine Belehrung, wie man sich verhalten sollte. Außerdem können die Ehrenamtlichen an Weiterbildungen und Kurzseminaren des Justizministeriums teilnehmen.
Welche Voraussetzungen muss jemand mitbringen, der sich für eine solche ehrenamtliche Tätigkeit interessiert?
Es wird überprüft, ob derjenige Einträge im polizeilichen Führungszeugnis hat. Wenn das nicht der Fall ist, bekommt er eine Zulassungsbescheinigung für ehrenamtliche Mitarbeiter. Die ist speziell für die Justizvollzugsanstalt ausgeschrieben, in der der Ehrenamtliche helfen möchte. Bei uns ist das die JVA Waldheim.
Wie oft besuchen Sie die Gefangenen?
Wir können so oft in die JVA kommen, wie wir Zeit haben. Allerdings muss der Gefangene erst einen Antrag stellen, wenn er Besuch haben möchte. In den vergangenen sechs Jahren haben wir einen speziellen Gefangenen betreut. Den haben wir jeden Monat besucht. Dabei haben wir immer versucht, ihm klar zu machen, dass es nicht nur in der JVA, sondern auch im Alltag Regeln gibt, an die sich jeder halten muss.
Wie reagieren die Häftlinge auf solche Besuche von Ehrenamtlichen?
Überwiegend positiv. Viele sind schon für Gespräche dankbar. Für sie ist es wichtig zu reden, ohne dass ihre Worte aufgeschrieben werden. Viele sind auch dankbar, dass die Ehrenamtlichen an der Vollzugsplanung teilnehmen können. Dadurch sitzt er den Bediensteten nicht alleine gegenüber. Bei der Zusammenkunft wird besprochen, was der Häftling bereits erreicht hat und was er noch erreichen müsste.
Haben Sie im Zusammenhang mit solchen Gesprächen eine Schweigepflicht?
Nein, die haben wir nicht. Es ist aber selbstverständlich, dass wir über bestimmte Dinge außerhalb der JVA nicht reden.
Gibt es bei Ihrer ehrenamtlichen Arbeit auch Berührungsängste?
Anfänglich ist es natürlich erstmal ein Abtasten. Aber mit zunehmendem Kennenlernen wird das Verhältnis vertrauter. Zum Schluss haben wir den Gefangenen völlig in unser Familienleben integriert.
Dass heißt, er war auch bei ihnen Zuhause?
Ja. Wir haben ihn nicht nur in der JVA besucht, sondern auch in der Zeit der Haftlockerung, als Freigänger und nach seiner Entlassung betreut.
Wie geht das vor sich?
Wenn der Gefangene Haftlockerung bekommt, kann er die JVA anfangs in Begleitung eines Bediensteten verlassen, später auch alleine. Auf seinen Antrag zum Freigang muss er vermerken, was er unternehmen will. Im Freigängerhaus gibt es auch einmal im Monat für zwei Tage Urlaub. In dieser Zeit hat der Gefangene bei uns gewohnt und wir haben mit ihm etwas unternommen.
Kann es dabei zu Problemen kommen?
Persönlich hatten wir bisher keine Schwierigkeiten. Für die Gefangenen ist der Freigang aber oft eine große Umstellung, vor allem, wenn sie lange in Haft waren. Sie müssen sich erst wieder an das öffentliche Leben gewöhnen. Dabei müssen sie vieles, das für uns ganz normal ist, erst lernen. Das beginnt schon damit, dass man den Einkaufskorb nur in den Markt mitnehmen kann, wenn man einen Chip reinsteckt. Manch einer war anfangs so geschockt von der Fülle des Lebens, dass er freiwillig vor Ablauf des Freigangs in die JVA zurückgekehrt ist, weil es ihm draußen zu laut und zu hektisch war.
Wie lange halten Sie Kontakt zu dem Gefangenen?
Bis heute. Wir haben ihn auch bei der Entlassung begleitet. Dabei ist eine intensive Arbeit nötig, denn auf ihn kommen völlig ungewohnte Dinge zu. Das sind zum Beispiel die Suche nach einer Wohnung und einer Arbeit, die Einrichtung der Wohnung und die Eröffnung eines Kontos. Bei einigen Dingen hat er auch große Unterstützung von der evangelischen Kirchgemeinde bekommen.
Wohin können sich Interessierte wenden, die sich ebenfalls für Gefangene engagieren möchten?
Sie können sich an der Pforte der JVA melden. Eine Sozialarbeiterin vermittelt dann die Kontakte.
Es fragte: Cathrin Reichelt