Von Katja Zimmermann
Peng, peng, peng! Ohrenbetäubender Lärm ertönt, wenn der bärtige Handwerker das Blech mit festen Schlägen traktiert und es so mit Hilfe einer Vertiefung über viele Stunden in die Form eines Helmes treibt. Stefan Kocsis übt einen Beruf aus, der eigentlich schon über 300 Jahre ausgestorben ist: Er ist Plattner, auch Ritterrüstungsbauer genannt.
In seinem Ausstellungsraum – „das ist wahrscheinlich die kleinste Rüstkammer der Welt“, schmunzelt er – steht eine Handvoll fertiger Rüstungen unterschiedlicher Epochen und Formen. Alle haben jedoch eines gemeinsam: Sie strahlen eine unglaubliche Eleganz aus. Die beweglichen Teile sind so exakt gearbeitet, dass echte Ritter ihre Freude daran gehabt hätten. Auch Waffen und Kettenhemden befinden sich unter den Exponaten. „Letztere mache ich nicht so gerne. Das ist eine zeitaufwändige, eintönige Angelegenheit“, gibt er zu.
Hobby zum Beruf gemacht
Eigentlich ist Stefan Kocsis gelernter Schlosser. „Zu meiner Zeit haben wir aber noch alles gelernt“, erzählt er. Weil er zu diesem Können noch künstlerisches Talent besitzt, baute er Ritterbedarf neben seiner Haupttätigkeit – ab den 70ern war er im Oderwitzer Kabelwerk, später arbeitete er deutschlandweit auf Montage als Bauleiter. Seit zehn Jahren nun schon hat er sein Hobby zum Beruf gemacht.
Der 58-Jährige ist als Sohn ungarischer Einwanderer in Sokolov (Falkenau) in der Nähe von Karlovy Vary (Karlsbad) aufgewachsen. Anfang der 1970er Jahre kam er als Gewichtheber der tschechischen Nationalauswahl in die DDR. Hier lernte er seine erste Frau in Eibau kennen, die er 1973 heiratete. Geschieden und seit 1983 mit seiner zweiten Frau, Liane, verheiratet, hat er drei erwachsene Kinder.
Das Fachwissen hat sich der starke Mann mit den Lachfältchen um die Augen angelesen und kennt mittlerweile jede Kleinigkeit, die bei bestimmten Rüstungstypen wichtig ist. „In der Dresdner Rüstkammer kennen sie meinen Mann schon“, erzählt seine Frau. Stefan könne stundenlang damit zubringen, die Details der Exponate zu studieren. Er entsinnt sich: „Ja, so vier bis fünf Stunden brauche ich, um mir ein Viertel der Rüstkammer anzusehen.“
Ähnlich arbeitsintensiv ist auch die Anfertigung der Teile. „Für eine einfache Ritterrüstung benötige ich etwa zweieinhalb Monate Zeit“, erzählt er. So ein Stück sei dann ab 3000 Euro zu haben. Je mehr Maßanfertigung und kleine Details gewollt seien, umso länger dauere es, sie herzustellen. „Da kommt es schon mal vor, dass ich fünf Monate an einer Rüstung baue“, sagt er. Die sei dann natürlich entsprechend teurer. Aber wer lässt sich denn eigentlich solches Ritterzubehör machen? Liane Kocsis hat eine Antwort: Teilnehmer von Ritterturnieren auf mittelalterlichen Spektakeln, Kostümbildner von Theatern und Sammler.
Teilweise werden die Wünsche dann richtig speziell. So fertigte Stefan Kocsis eine Rüstung für einen Bayern, der damit auch Handstandüberschläge rückwärts vollführen wollte. Oder einem Berliner Sammler einen so genannten Skitenhelm. Kocsis zeigt ein Foto dieses Exemplars. Es ist ein goldener Helm, in den verschlungene Pflanzen getrieben wurden. Der heutige Waltersdorfer war der einzige, der sich dieser schwierigen Aufgabe stellte. „Mich hat das gereizt“, erzählt er. Weil sich der Helm durch die Schläge für die Verzierung vollkommen verformt hätte, goss ihn der Rüstungsprofi zur Stabilisierung mit einer Art Gips aus. So erhielt er gleich zwei Endprodukte: Den wunderschönen, detailgetreuen Helm und die Gipsfüllung mit dem gleichen Muster. „Viele meiner Werkzeuge stelle ich auch selbst her“, erzählt der künstlerisch begabte Handwerker. Für die aufwändigeren Helme, die aus einem Teil hergestellt sind, hat er sogar eine kleine Feldschmiede, um „die Moleküle wieder beruhigen zu können“, wie er sagt. Auch für das Austreiben der feingliedrigen, gepanzerten Fingerknöchel hat er sich spezielle Hilfsmittel entwickelt.
Erotik-Dessous in Metall
An großartiger Werbung liegt dem bescheidenen Mann, der oft in seinem roten Kostüm auf Mittelaltermärkten zu finden ist, nichts. Lediglich auf seiner Visitenkarte beschreibt er, was er alles kann: „Repliken, Rüstungen, Helme, Dolche, Schwerter, Schmuck, Erotik-Dessous in Metall, nach Vorlagen und Wünschen“. Für das Plakat, das er immer neben dem Stand aufhängt, hat er sich dann sogar ausnahmsweise mal selbst in eine Rüstung helfen lassen.