Von Alexander Kempf
Als Sabine Stich* ihrer Familie von ihrem Verdacht erzählt, ist die Skepsis zunächst groß. „Du spinnst“, heißt es. Keiner kann sich vorstellen, dass jemand in die Scheune der Familie eingedrungen ist, um dort einen weiblichen gegen einen männlichen Labrador-Welpen auszutauschen. Doch je mehr Zeit vergeht, desto sicherer wird die Frau, dass ihnen jemand ein männliches Kuckucksei in die Welpenbox gelegt hat und anschließend mit einem weiblichen Tier verschwunden ist. Das Motiv des vermeintlichen Täters liefert Sabine Stich gleich mit. Weibchen seien für die Welpenmafia besonders wertvoll. „Das ist eine Geldmaschine“, sagt sie.
Doch warum sollten sich Kriminelle so viel Mühe geben, ein Tier auszutauschen, wenn sie es einfach so stehlen könnten? Diese Frage stellt sich auch Michael Günzel von der Pressestelle der Polizeidirektion Görlitz. Dort werden schon mal Hunde als vermisst gemeldet. Meist entlaufen sie. Aber auch Diebstähle hat es schon gegeben. „Dass ein Welpe ausgetauscht wird, ist mir noch nie untergekommen“, sagt der Polizeisprecher. Auch beim Labrador Club Deutschland reagiert man mit Skepsis auf die Geschichte. Es wäre der erste Fall dieser Art in Deutschland. „Für mich hört sich das Ganze sehr abenteuerlich an“, sagt Pressewart Frank Röhrig.
Erzählt Sabine Stich eine Räuberpistole? Die Hobbyzüchterin räumt ein, dass sie zunächst an sich gezweifelt hat. Ist der Welpe womöglich ein Zwitter oder hat sich das Geschlecht nachträglich noch einmal verändert? Nein, das alles komme bei den Tieren nicht vor, will sie recherchiert haben. Dass Sabine Stich bei der Bestimmung des Geschlechts bei den Neugeborenen geirrt haben könnte, schließt sie definitiv aus. „Das ist nicht wie bei Katzenjungen, wo das am Anfang nicht so klar ist“, sagt sie. Für die Hobbyzüchterin gibt es keine Zweifel daran, dass der männliche Welpe nicht aus ihrem Wurf stammt. Denn er habe sich von einen Tag auf den anderen vom Rest separiert. „Die Mutter hat ihn erst nicht akzeptiert“, sagt Sabine Stich.
Dass eine Labradorhündin einen fremden Welpen mit aufzieht, ist tatsächlich sehr wahrscheinlich, erklärt Petra Lehnen. „Labradore verstehen sich unglaublich gut“, sagt die Vorsitzende der Zuchtkommission des Labrador Club Deutschlands. Ein Schäferhund beispielsweise würde einen fremden Welpen nicht akzeptieren. Doch der Geschichte vom ausgetauschten Welpen mag auch die Expertin nicht recht Glauben schenken. „Man bräuchte ja einen gleichen Hund mit ungefähr dem gleichen Gewicht. Das halte ich für unwahrscheinlich“, sagt sie. Vielleicht hat sich die Frau bei ihrem ersten Wurf schlicht vertan. Bei Petra Lehnen würde Sabine Stich noch nicht mal als Hobbyzüchterin durchgehen. Sie nennt jene, die Welpen ohne Stammbaum aufziehen, schlicht „Vermehrer“.
Die Vertreter des Labrador Clubs Deutschland können auch nicht nachvollziehen, dass sich mit weiblichen Welpen mehr Geld erzielen lässt. Wer bei einem zertifizierten Züchter mit Stammbaum kauft, der kann mit 1 300 Euro Kosten für einen Welpen rechnen, unabhängig von Geschlecht oder Farbe des Fells. Außerhalb der offiziellen Zucht können die Preise aber durchaus variieren, räumt Petra Lehnen ein. Derzeit sei der „silberne Labrador“ sehr begehrt und für Welpen werde schon mal über 2 000 Euro gezahlt. Doch bei diesen Tieren handelt es sich aus Sicht des Clubs gar nicht um Labradore. Denn die Tiere sind nicht reinrassig und mit einem Münsteraner gekreuzt.
Sabine Stich hat die Lust an der Zucht verloren. „Ich werde nie wieder züchten. Das ist ja richtig gefährlich“, sagt sie. Mittlerweile vermutet sie hinter Anfragen auf ihre Inserate Betrüger, die Welpen stehlen möchten. Darum soll ihr Name nicht in der Zeitung erscheinen. Finanziell ist die Rechnung mit dem Welpenverkauf für sie nicht aufgegangen, das Konto zeitweise in den Miesen gewesen. Dass sie ihrem Welpen wiedersieht, bezweifelt Sabine Stich. Trotzdem hat sie sich an die Polizei gewandt. Mit einem DNA-Test unter Aufsicht eines Tierarztes will sie nachweisen, dass der eine Welpe nicht von ihrem Wurf stammt. Im September sollen die Ergebnisse vorliegen.
*Name geändert