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Warnschuss für den Whiskey-Dieb

Der Mann beging die Taten unter zweifacher Bewährung. Da muss er doch ins Gefängnis, sollte man meinen. Oder doch nicht?

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Von Jürgen Müller

Muss jemand, der vier Flaschen Whiskey und vier Schachteln Zigaretten stiehlt, ins Gefängnis? Natürlich nicht, werden jetzt viele sagen. In manchen Fällen aber doch. Dann nämlich, wenn man ein derartiges Vorleben hat wie der angeklagte Meißner. Es ist ein Tanz auf der Rasierklinge. Fast hätte er sich richtig wehgetan. Es ist einen Tag vor Heiligabend vorigen Jahres, als der Mann das Kaufland in Radebeul aufsucht, zwei Flaschen Whiskey einsackt und den Supermarkt ohne zu bezahlen verlassen will. Der Ladendetektiv schnappt ihn. Das hält ihn nicht davon ab, vier Wochen später im Kaufland in Coswig vier Schachteln Zigaretten zu stehlen. Und wieder wird er erwischt. „Ich hatte finanzielle Probleme, nahm damals Drogen, wollte den Whiskey verkaufen, um Geld für Crystal zu haben“, sagt er und gibt die Taten unumwunden zu. Kunststück, er wurde ja auch jeweils auf frischer Tat ertappt.

Seit seiner letzten Verhaftung nehme er kein Heroin mehr wie früher, sei auf Crystal umgestiegen. Auch das sei jetzt vorbei. „Ich habe mein Leben im Griff“, behauptet er. Mag sein, doch seine Vergangenheit holt ihn ein. Die neuen Taten beging er nämlich unter zweifacher Bewährung. Doch auch ohne neue Straftaten müsste er eigentlich ins Gefängnis einrücken, weil er seinen Weisungen nicht nachkam. Zu seinem Bewährungshelfer geht er monatelang nicht. Erst eine Woche vor der Verhandlung macht er einen Termin. Auch die Weisung des Landgerichtes, eine ambulante Suchttherapie zu beginnen, nimmt er nicht ernst. Obwohl er behauptet, zehnmal zur Therapie gewesen zu sein, hat er keinerlei Nachweis dafür. Auch sein Bewährungshelfer weiß davon nichts. Der Arbeitslose lebt bei seinen Eltern, hat derzeit kein Einkommen, jetzt erst Arbeitslosengeld II beantragt. Seine Frau, mit der er zwei Kinder hat, verließ ihn.

Für die Vertreterin der Staatsanwaltschaft – eine junge Rechtsreferendarin – ist klar, dass hier eine Geldstrafe nicht mehr ausreichend ist. Sie fordert eine Haftstrafe von drei Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, weil er zweifacher Bewährungsbrecher sei und Weisungen nicht erfüllte. Doch sie muss lernen, dass Theorie und Praxis, Recht und Gerechtigkeit nicht immer das Gleiche sind. Denn der Richter verurteilt den Mann wegen zweifachen Diebstahls nur zu einer Geldstrafe von 450 Euro.