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Warteliste für Seniorenwohnungen in Pulsnitz

Die Nachfrage nach Betreuung ist groß. Das erfuhr Sachsens Sozialministerin Christine Clauß bei der Diakonie.

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Von Reiner Hanke

Die Senioren sind schon ein bisschen ungeduldig. Eigentlich sollte bereits eine Ministerin bei den Senioren im Gesellschaftsraum der Diakonie auf der Poststraße in Pulsnitz angekommen sein. Sachsens Sozialministerin Christine Clauß. Die älteren Herrschaften aus dem Seniorenwohnen vertreiben sich die Zeit mit Gesang: „Wenn ich ein Vöglein wär‘...“ tönt es durch die Gänge, während sich die Ministerin nähert.

Sie hat inzwischen einen Kurzrundgang durch die Einrichtung hinter sich und schon einige Probleme aus dem Seniorenpflegebereich erfahren. Das ist auch Sinn des Besuchs. Wo der Schuh wirklich drückt, sei vom Schreibtisch aus nicht zu erfahren. 70 Mitarbeiterinnen sind für den ambulanten Pflegedienst in Königsbrück-Pulsnitz für das Diakonische Werk Kamenz tätig. Der Einzugsbereich sei auch riesig – von Thiendorf bis Großröhrsdorf, erklärt die Pflegedienstleiterin Anne-Kathrin Lösche. An beiden Standorten gibt es auch altersgerechte Wohnungen, 21 in Pulsnitz. Es könnten viel mehr sein, heißt es. Das belegen die Wartelisten auf eine solche Wohnung. Derzeit sind alle belegt. Es sei schwierig Fachkräfte zu finden. Das werde eher noch schlimmer, schätzt die Ministerin ein.

Über 15 Tagespflegeplätze verfüge die Einrichtung. Auch das könnten mehr sein, weil der Bedarf zusehends steige, schätzt die Pflegedienstleiterin ein. Die wachsende Anzahl von Menschen mit Demenz sei eine Ursache. Die alten Leute könnten länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben, müssten nicht ins Pflegeheim, wenn es mehr Tagespflege gebe. Der Ministerin seien diese Dinge bewusst. Um die Folgen der alternden Gesellschaft zu meistern, seien viele Ideen gefragt. So wirbt sie auch dafür, das altersgerechte Wohnen zum Standard im Wohnungsbau und Sanierungen zu machen. Gerade die Kommunen mit ihren Wohnbaugesellschaften seien gut beraten, dies zu tun. Bei den alten Leuten im Gesellschaftsraum des Gebäudekomplexes traf die Ministerin anfangs auf eine gute Portion Skepsis. Zum Beispiel als das Gespräch auf angekündigte finanzielle Leistungen kam, die die Regierung derzeit vorbereitet. So vergaß die Ministerin nicht, die Mütterrente zu erwähnen und bekam kritisch zu hören: Die werde ja ohnehin gleich wieder mit der Witwenrente verrechnet. Am Ende bleibe nicht viel. Die Senioren brauchten ein bisschen Zeit, um aufzutauen. Sie nutzten dann aber doch die Chance, Fragen loszuwerden, auch im persönlichen Gespräch. Eine Ministerin kommt schließlich nicht täglich. Rudolf Carda hatte gleich zwei Fragen. Er kritisierte die finanzielle Ungleichbehandlung zwischen Pflegeheim und privat in den eigenen vier Wänden. Wer privat Familienangehörige pflege, erhalte nur 40 Prozent der Zuschüsse und stelle sie vor finanzielle Probleme. Davon seien sehr viele Familien betroffen. Traurig sei auch, dass eine Bestattungsvorsorge wie eine Spareinlage behandelt werde und für die Pflege im Heim herangezogen und abgeschmolzen werde. „Was am Ende bleibt, reicht nicht einmal für den Sarg. Das ist traurig und unsozial.“

Sie werde die Frage mitnehmen, versprach die Ministerin und bedankte sich für die Offenheit. Zu den finanziellen Ungerechtigkeiten in der Pflege sagte sie: Die Familie sei der größte Pflegedienst, das sei der Politik bewusst. Es werde an der Weiterentwicklung der Pflegegesetze gearbeitet. Ob auch in der gewünschten Richtung bleibt offen. Die Ministerin sprach von einem Gesamtbudget finanzieller Leistungen und erwähnte einige Entlastungen. Dazu gehöre eine mögliche Freistellung von der Arbeit für die Pflege. Die erwähnten Entlastungen beseitigen das Kernproblem aber nicht, ist sich Carda sicher: „Ich habe auch nicht mit einer 100-prozentigen Antwort gerechnet“, schätzt er ein. Aber man müsse die Probleme ansprechen. Ansonsten ändert sich nie etwas. Andere Senioren kritisierten den Bürokratismus und Reserven in der Gesetzgebung. Da könnte der Staat viel Geld sparen. Lob gab es dagegen für die schöne Wohnanlage in Pulsnitz. Und so resümierte die 87-jährige Gertraud Graff: „Eine patente Frau, die sich bestimmt durchsetzen kann.“