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Warum Amerikaner die Kanzlerin loben

Deutschland gilt vielen in den USA als Musterland in der Corona-Krise – mit einer Einschränkung.

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Angela Merkel behält auch in Krisensituationen den Durchblick. Die Bundeskanzlerin, hier 2011 beim Besuch in einem Forschungslabor in Nairobi, erhält aus den USA Lob für ihr Krisenmanagement gegen die Corona-Pandemie.
Angela Merkel behält auch in Krisensituationen den Durchblick. Die Bundeskanzlerin, hier 2011 beim Besuch in einem Forschungslabor in Nairobi, erhält aus den USA Lob für ihr Krisenmanagement gegen die Corona-Pandemie. © dpa/Michael Kappeler

Von Thomas Spang,SZ-Korrespondent in Washington

Das Magazin „The Atlantic“ feiert die Doktorandin der Chemie als „Chef-Wissenschaftlerin“ an der Spitze der Regierung. Angela Merkel habe die Corona-Krise bisher mit „charakteristischer Rationalität, verbunden mit uncharakteristischer Sentimentalität“, relativ erfolgreich bewältigt. Die Pandemie sei die „krönende Herausforderung“ einer Politikerin, deren Stil stets „als analytisch, unemotional und vorsichtig“ beschrieben worden sei.

Angesichts Zustimmungsraten von 80 Prozent lasse sich nicht bestreiten, dass „umsichtige Führung“ angesichts des Versagens populistischer Politiker wieder angesagt sei. Kanzlerin Angela Merkel genieße das Vertrauen der Menschen, „die trüben Wasser des Ausbruchs zu navigieren, ohne dabei eine Pandemie des Geistes anzustiften oder ihr zu erliegen“.

Auch der New York Times ist es wichtig, hervorzuheben, dass Deutschland „die erste große Demokratie ist, die die Verbreitung des Coronavirus gestoppt hat, und nun die erste ist, die ihre Wirtschaft methodisch wieder anfährt.“ Andere schauten genau hin. Vor allem, weil die Zahl der Toten so gering und das Gesundheitssystem so widerstandsfähig sei. „Deutschland ist der Neid der Welt.“

Ein wunder Punkt

Hervorgehoben wird das effiziente Testen und die enge Kooperation der wissenschaftlichen Institutionen. Wichtig für den Erfolg sei dabei das Vertrauen der Deutschen in ihre Regierung. Merkel habe durch ihre unaufgeregte und rationale Führung erheblich dazu beigetragen.

Kritisch hebt das Leitmedium hervor, dass die Kanzlerin auf europäischer Ebene zu wenig getan hat. Die Solidarität im eigenen Land „fehlt in Deutschlands Reaktion auf die ärmeren Nationen im Süden Europas“. Ein wunder Punkt, der auch von anderen Medien aufgegriffen wird.

Insgesamt überwiegt im Meinungsbild der USA aber das Lob für die Fähigkeit der föderalen Demokratie in Deutschland, transparent und effizient mit der Pandemie umzugehen. Der Fernsehsender CNN betont die enge Kooperation zwischen Bund und Ländern. Wohltuend zu der Polarisierung Donald Trumps in den USA fällt dem Korrespondenten die Bereitschaft der politischen Konkurrenten in Deutschland auf, in der Krise auf die Gemeinsamkeiten abzuheben.

Trumps Streit mit Gouverneuren

In den USA dagegen hat die Corona-Krise die Gräben vertieft, statt sie zu schließen. Und zur Brechstange greift wie schon in normalen Zeiten der mächtigste Mann des Landes: Donald Trump. Der Präsident ringt mit den Gouverneuren, die mittlerweile parteiübergreifend den Mangel an Corona-Tests beklagen. Er kämpft gegen die Demokraten, die ihm Versäumnisse bei der Reaktion auf die Krise vorwerfen, und gegen die Medien, die seiner Ansicht nach nie ein gutes Haar an ihm lassen.

Greift einmal mehr zur Brechstange: US-Präsident Donald Trump.
Greift einmal mehr zur Brechstange: US-Präsident Donald Trump. © Alex Brandon/AP/dpa

Seine Arena sind tägliche Pressekonferenzen im Weißen Haus, die gern auch mal mehr als zwei Stunden dauern. Trump wird dabei von angesehenen Gesundheitsexperten flankiert, die ihm und seinen teils falschen Aussagen Glaubwürdigkeit verleihen sollen. Vor lauter Schuldzuweisungen und Eigenlob droht bei den Briefings in Vergessenheit zu geraten, worum es eigentlich geht: um die Gesundheit von Millionen Menschen und darum, dass in den USA bereits Zehntausende nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben sind.

Während der US-Präsident seine täglichen Auftritte nutzt, die eigenen Experten und Wissenschaftler zu unterminieren, beruht das Krisenmanagement der Bundeskanzlerin in der Wahrnehmung der großen amerikanischen Medien auf dem Schulterschluss mit dem starken Netz an Forschungsinstitutionen und Universitäten in Deutschland.

Merkel habe sich bewusst auf Leute wie Christian Drosten von der Berliner Charité verlassen, beobachtet das Magazin The Atlantic. Beide seien bereit, auch zu sagen, was sie nicht wissen. Dies stärke die Glaubwürdigkeit. Die Kanzlerin und der Virologe genießen in der Bevölkerung „hohes Vertrauen“. (mit dpa)

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