Warum das Lesen in Niesky nun schöner ist

Auch in Zeiten des Internets kann sich die Nieskyer Stadtbibliothek nicht über zu geringes Interesse beklagen. Im Leistungsvergleich der sächsischen Bibliotheken belegte die Einrichtung am Zinzendorfplatz im vergangenen Jahr den ersten Platz in der Kategorie Entleihungen je Einwohner.
Immerhin rund 32 000 Leseratten besuchten die Bibliothek, um den breit gefächerten Medienmix zu nutzen, sich Informationen und Anregungen zu holen oder an einer der zahlreichen Veranstaltungen teilzunehmen. Mehr als 16 Prozent der etwa 10 000 Einwohner der Stadt waren 2018 als aktive Kunden der Bibliothek registriert. Und: Statistisch gesehen kam jeder Nieskyer – vom Neugeborenen bis zum Senior – durchschnittlich 3,2 mal vorbei und entlieh sich insgesamt fast 14 Medien. Eine weitere interessante Zahl: Jeder angemeldete Nutzer hat 2018 etwa 85 Bücher, Zeitschriften oder sonstiges mit nach Hause genommen.
Auf diesem Erfolg ruhen sich Bibliothekschefin Carola Vogt-Kliemand und ihre Mitarbeiterinnen allerdings nicht aus. „Wir haben 20 Jahre lang mit einem Ausleihsystem gearbeitet, das nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Deshalb haben wir uns nach einem modernen Nachfolger umgeschaut, der auch unsere Erfahrungen mit berücksichtigt.“ Denn nach wie vor sei Literatur im Allgemeinen sehr gefragt, Sachliteratur jedoch immer weniger. „Dafür gibt es Datenbanken wie Genios, Munzinger oder Brockhaus. Die sind klasse gemacht, aber auch richtig teuer.“ Seit 19. März ist nun das Open-Source-System „Koha“ im Einsatz in der Stadtbibliothek – eine Software, deren Quelltext öffentlich ist und genutzt werden kann. „‘Koha‘ heißt in der Sprache der Maori, der neuseeländischen Ureinwohner ‚Geschenk‘. Es ist web-basiert und bietet eine Oberfläche, wie man sie von Internetbuchhändlern her kennt“, erläutert Carola Vogt-Kliemand. Neben der Optimierung interner Arbeitsabläufe und der damit verbundenen Kostenersparnis biete es auch für die Nutzer vielfältige Vorteile. So gebe es zeitgemäße Abfragewerkzeuge. Außerdem habe man die Möglichkeit, das eigene Bibliothekskonto bequem vom heimischen Computer aus einzusehen. Medien können vorbestellt und verlängert werden. Man kann Listen anlegen und gelesene Bücher mit mehr oder weniger Sternchen bewerten. Neu ist überdies die Suchhistorie. Sie gibt einen Überblick über die bisherigen Recherchen des Nutzers. Interessant ist auch der Ausleihverlauf. Davon profitieren Nutzer, die sich nicht mehr genau erinnern können, was und wann sie in der Bibliothek schon mal gelesen haben. Über direkte Verlinkungen können zudem weitere Titel desselben Autors oder zum gleichen Thema angezeigt werden. Neuerwerbungen sind nach Themenkreisen geordnet, versehen mit Zusatzinfos zu Titel, Autor und dem zugehörigen Hörbuch. Ähnliches gibt es auch für die Kinder- und Jugendliteratur. Wer aktuell verliehene Titel haben will, kann sich vormerken lassen und erhält eine Benachrichtigungsmail von der Bibliothek, wenn das Werk wieder verfügbar ist. Eine Mail gibt es aber auch zu allen anderen Vorgängen im Bibliotheksbetrieb – zum Beispiel, wenn die Ausleihfrist endet, die Jahresgebühr fällig ist oder eine Verlängerung bestätigt wird.
„Das ist virtuelles Schmökern in den Regalen der Stadtbibliothek“, schwärmt Carola Vogt-Kliemand von den Vorzügen des neuen Systems, das die Nieskyer als erste in Sachsen eingeführt haben. „Natürlich hätte es auch andere Möglichkeiten gegeben. Aber ich finde, es ist das derzeit innovativste Programm.“ Nicht zu unterschätzen ist die Finanzierung. „Innerhalb eines Jahres sind die Umstellungskosten eingespielt. Und in Zukunft werden wir jährlich deutlich geringere Aufwendungen haben.“
Für die Nutzer sind die neuen Services extrem interessant. Wer keine Zeit hat, vor Ort in den Regalen nach dem richtigen Lesestoff zu suchen, kann seine nächste Ausleihe nach allen nur denkbaren Kriterien schon am heimischen Computer vorbereiten und dann zielgerichtet in die Bibliothek gehen. Fehlt eigentlich nur noch der Lieferservice. Daran hat auch Carola Vogt-Kliemand schon gedacht, bedauert aber, dass „wir das personell momentan nicht stemmen können.“ Perspektivisch, meint sie, sei das aber durchaus eine denkbare Option.
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