Warum das Transparent am Rathaus hängt

Mit einem ganz großen T - so soll die Jugend Toleranz schreiben. Sie soll für eine menschlichere Gesellschaft kämpfen. Gleichzeitig soll sie Menschen anderer Nationen, und anderen Glaubens nicht hassen. Diese Aufforderung prangt auf einem riesigen Banner am Balkon des Zittauer Rathauses. Das Zitat stammt von der Forscherin Emmy Klieneberger-Nobel. Die Mikrobiologin (1892-1985) ist die jüngere Schwester von Carl Klieneberger. Der Arzt war viele Jahre Direktor des Zittauer Krankenhauses. Diese Position musste er 1933 auf Druck der Nazis aufgeben. 1938 nahm sich Klieneberger das Leben. Vor dem Haupteingang des Klinikums erinnert ein Stolperstein an ihn.
Emmy Klieneberger-Nobel erlebte im Gegensatz zu ihrem Bruder das Kriegsende 1945. Der Tag der Befreiung jährt nun zum 75. Mal. Deshalb wurde das Banner am Rathaus angebracht. Aber nicht nur deswegen. Angesichts des aktuellen Auflebens nationalistischer und rassistischer Tendenzen sei es notwendig, immer wieder Zeichen zu setzen, sagt Stadtsprecher Kai Grebasch. Es müsse gezeigt werden, dass das Dreiländereck von Internationalität und Offenheit lebt. Auch der Schmerz, den die geschlossenen Grenzen verursachen, sei ein Indiz dafür, dass Toleranz, Zusammenarbeit und Freundschaft in Europa über Grenzen hinweg die größte Zukunftschance sind. "Das Zitat beinhaltet genau die Kernaussagen für unsere Gegenwart und Zukunft", so Grebasch.
Emmy Klieneberger-Nobel war immer wichtig, gegen Unmenschlichkeit und Fremdenhass einzutreten und Toleranz anzumahnen. Denn sie verlor nicht nur ihren Bruder Carl, sondern auch die Mutter und Schwester während der Nazi-Diktatur. Sie selbst war von den Nazis als Dozentin an der Uni Frankfurt entlassen worden und musste nach England auswandern.
1967 wurde sie Ehrenmitglied des Robert-Koch-Instituts (RKI). Auch das ist eine Parallele zur aktuellen Situation: Das RKI veröffentlicht die Zahl der Corona-Infizierten und gibt Risikobewertungen zur Pandemie. Vor allem für Corona-Kritiker ist das RKI ein Feindbild.
Auch Kirchgemeinde setzt Zeichen
Ein Banner ist derzeit auch an der Johanniskirche zu entdecken: "Selig sind, die Frieden stiften". Es handelt sich um den berühmten Vers aus der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium, erklärt Türmer Felix Matthias Weickelt. "Das Banner ist ein Zeichen aus der Kirchgemeinde an alle Menschen, die an der Johanniskirche vorbeilaufen und vor allem an diejenigen, die sich in ihren Demonstrationen als 'Wir sind das Volk' ausweisen", so Weickelt. Es wurde am 11. Mai am Johannisturm angebracht, dem Tag, an dem sich die Pegida-Anhänger wieder auf dem Markt treffen wollten. Getroffen haben sie sich dann aber auf der Neustadt. Deshalb wurde das Banner zwischenzeitlich abgehängt. Nun soll es vor der Johanniskirche angebracht werden, erklärt Weickelt.
Die Worte auf dem Banner zieren auch die Zittauer Friedensglocke, geschrieben in Deutsch, Polnisch und Tschechisch. "Glocke und Banner können uns gerade in dieser für viele schwer auszuhaltenden Zeit an unseren Friedensauftrag erinnern. Dabei geht es um viel mehr, als auf Gewalt zu verzichten", meint der Türmer. In den vergangenen Wochen seien nicht nur verschiedene Meinungen ausgetauscht, sondern auch viele Mitmenschen beleidigt worden, findet Weickelt. "Unfriede und Unzufriedenheit breiten sich aus, wenn wir uns nicht mehr die Mühe machen, einander zuzuhören und zu verstehen oder schlichtweg zu respektieren", glaubt er.