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Warum die Bahn tausende Mitarbeiter sucht

Der Konzern muss binnen fünf Jahren fast die halbe Belegschaft ersetzen – und feiert bereits jetzt erste Erfolge.

Von Michael Rothe
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Jim Knopf auf Lok „Emma„ und Lukas der Lokomotivführer. Die Realität bei der Bahn ist nicht so märchenhaft wie in der Augsburger Puppenkiste.
Jim Knopf auf Lok „Emma„ und Lukas der Lokomotivführer. Die Realität bei der Bahn ist nicht so märchenhaft wie in der Augsburger Puppenkiste. © dpa/Stefan Puchner

Wie leicht hatte es doch der König von Lummerland: Um den Bahnverkehr auf der Insel aufrechtzuerhalten, brauchte er nur einen Mann: Lukas, den Lokomotivführer. Spätestens seit Michael Endes Kinderbuch 1960 auf den Markt kam, war Lokführer über Jahrzehnte ein Traumjob. Auch in der DDR, wo man Jim Knopf und seine Freunde bestenfalls aus dem Westfernsehen kannte und die große weite Welt zudem endlich war.

Doch die Zeiten sind vorbei. Mit den Dampfloks ging die Faszination. Auch ohne Kohlen bleibt Lokführer ein Knochenjob mit unregelmäßigen Schichten – wie viele andere Tätigkeiten auf und neben der Schiene. Die Deutsche Bahn sucht händeringend Personal, nicht nur, aber vor allem Leute wie Lukas. Laut Lokführergewerkschaft GDL fehlen deutschlandweit allein rund 1.000 Lokführer. In der Folge blieben Züge stehen, könnten Transportaufträge nicht angenommen werden, heißt es.

Die Deutsche Bahn (DB) hat auf ihrer Karriere-Website für Sachsen 240 Jobs in 23 Arbeitsbereichen ausgeschrieben: von B wie Busverkehr bis Z wie Zollabwicklung, von der Küchenhilfe bis zum Projektleiter für Infrastruktur. Die DB, mit gut 200.000 Mitarbeitern und über 10.000 Lehrlingen einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, will mittelfristig 100.000 Mitarbeiter einstellen. Binnen fünf Jahren müsse aus Altersgründen fast die halbe Belegschaft ersetzt werden, heißt es.

23.000. Neueinstellung im Jahr 2019

In Sachsen, wo die Bahn 13.165 Menschen beschäftigt, sollte die Belegschaft in diesem Jahr um 1.110 Köpfe wachsen: Lokführer, Instandhalter, Fahrdienstleiter, Servicekräfte in Zügen. Sie würden „an neuralgischen Punkten im Eisenbahnsystem helfen, die Qualität für die Kunden zu verbessern“, verlautete im Februar. Neben mehr Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur seien mehr Mitarbeiter ein Schlüssel zum Erfolg der „Agenda für eine bessere Bahn“, so Personalvorstand Martin Seiler.

Der Manager und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) begrüßte am Montag in München mit einer 26-jährigen Bauingenieurin die 23.000ste 2019 eingestellte DB-Mitarbeiterin. Damit wurde das Jahresziel um gut 1.000 getoppt. Rund 700 Neulinge hatte allein eine Werbetour durch 27 deutsche Städte gebracht, Resultat von gut 8.000 Castings Anfang September im Wohnmobil – auch in Dresden. Wenig später hatte das Unternehmen im dortigen Hauptbahnhof auch eine Ausbildungsmesse veranstaltet. Letztlich vermeldete es 4.200 neue Lehrverträge, 260 davon in Sachsen. Neuer Rekord.

Auf ihrer Website hat die Bahn mehrere Handlungsfelder zur Personalgewinnung ausgemacht – darunter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Integration von Menschen mit Behinderung. Der Frauenanteil im Unternehmen soll im nächsten Jahr auf 25 Prozent steigen und in Führungspositionen auf 20 Prozent.

Die Allianz pro Schiene bescheinigt durchaus Erfolge im Kampf gegen den Fachkräftemangel – nicht nur dem Branchenprimus DB, sondern auch seiner Konkurrenz. Demnach gab es im vergangenen Jahr 3.100 Lokführer mehr, in Summe knapp 47.000. Der Anstieg um über sieben Prozent übertreffe das Plus der Vorjahre deutlich, sagt Dirk Flege, Chef des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses von 20 Non-Profit-Organisationen. Die Einstellungsoffensive zeige Wirkung. Davon erwarte er auch höhere Qualität. „Mehr Personal ist eine zentrale Voraussetzung, um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nachhaltig zu verbessern.“

„Bis 2030 wollen wir gemeinsam mit mehr Service und mehr Qualität die Zahl der Fahrgäste verdoppeln und mehr Güter auf die Schiene holen“, sagt Verkehrsminister Scheuer. Eine Top-Bahn gebe es aber nur mit Top-Mitarbeitern.

Der Konzern hatte seine Strategie des Jobabbaus vor sieben Jahren zu den Akten gelegt. Langfristige Beschäftigung, Sicherheit und Perspektiven seien für Arbeitnehmer entscheidende Faktoren, hatte 2013 der damalige Personalvorstand Ulrich Weber erklärt und: „Unser Ziel ist es, bis 2020 zu den Top 10 der Arbeitgeber in Deutschland zu gehören.“ Das wäre nächstes Jahr.

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