Warum es fast unmöglich ist, RB-Mitglied zu werden

Die Dauer von Mitgliederversammlungen ist bei RB Leipzig frei von Überraschungen. Endlos-Debatten, Anträge mit Zündstoff – gibt es nicht. Deshalb kann man den Termin ruhigen Gewissens auch auf einen Heimspieltag legen, den Anpfiff verpasst garantiert niemand.
Vor drei Wochen trafen sich die Mitglieder des Rasenballsport Leipzig e.V. vor dem Duell gegen Hertha BSC in Räumlichkeiten des Stadions. Was dabei konkret besprochen wurde, wissen nur die Anwesenden, die Presse war auch diesmal nicht eingeladen. Immerhin gibt es seit einigen Jahren eine Zusammenfassung der Versammlung, eine Transparenzoffensive also, bei der die Journalisten im Anschluss vom Vorstandsvorsitzenden Oliver Mintzlaff informiert werden. Ob er dabei Brisantes weglässt oder Kontroverses glattbügelt – überprüfen lässt sich das kaum.
Diesmal ging es um den in diesen Tagen beginnenden Stadionumbau für 50 Millionen Euro, die Fanbetreuung und um die RB-Frauen, die wie die Männer in die Bundesliga aufsteigen sollen. In einem Jahr wird es die nächste Versammlung geben, am Prozedere sich wohl nichts ändern. Wobei die jetzige Form schon ein gewaltiger Fortschritt ist. Früher hatten Mitgliedertreffen bei RB etwas Geheimbündlerisches. Nichts drang an die Öffentlichkeit: kein Termin, kein Ort, keine Themen, noch nicht mal die Namen der Anwesenden waren bekannt.
Geändert hat sich das erst mit dem Zweitliga-Aufstieg der Profis 2014, als der Verein in die Zuständigkeit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) fiel. Die tat sich mit der Erteilung der Lizenz schwer. Mit einem basisdemokratisch geführten Mitgliederverein hatte RB rein gar nichts zu tun, die Satzung wies einige Merkwürdigkeiten auf. Die Juristen von DFL und RB verhandelten und stritten lange, zwischenzeitlich drohte Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz sogar mit einem Rückzug aus Leipzig. Schließlich wurde doch noch ein Kompromiss im homöopathischen Bereich gefunden – und die Lizenz erteilt.
Wichtigste Änderung: Der Verein musste fortan Fördermitglieder aufnehmen. Die zahlen zwischen 70 und 1 000 Euro Jahresgebühr und erhalten im Gegenzug einige Vergünstigungen. Sie dürfen auch an den Mitgliederversammlungen teilnehmen, haben dort aber „weder das aktive noch das passive Wahlrecht“, wie es in der Satzung festgeschrieben wurde, sind also Zuschauer oder allerhöchstens Fragesteller.
Inzwischen gibt es 575 Fördermitglieder, eines unter ihnen wird sogar in den Aufsichtsrat gewählt. Dass sich Wolfgang Altmann, nicht identisch mit dem ehemaligen Spieler von Lok Leipzig, seit seiner Ernennung im März 2015 noch nie öffentlich geäußert hat, dürfte kein Zufall sein. Welcher Bewerber in den Aufsichtsrat aufgenommen wird, entscheiden die stimmberechtigten Mitglieder. Deren Anzahl ist mit 19 immer noch sehr überschaubar, bei der Vereinsgründung vor zehn Jahren waren es sieben Männer.

Wer über die Zusammensetzung dieses elitären Kreises bestimmt, welche Kriterien es für eine Aufnahme gibt – all das ist weiterhin nebulös. Ein Selbstversuch des Autors dieses Textes wurde nach zwei Jahren ergebnislos abgebrochen. Zunächst hatte RB mit einem irrwitzigen Jahresbeitrag von 800 Euro und einer Aufnahmegebühr von 100 Euro gedroht, versehen mit der Nachfrage, ob man den Antrag aufrechterhalten möchte. Als das bejaht wurde, begann das große Schweigen.
Laut Satzung muss der Bewerber über die Entscheidung des Vorstandes schriftlich informiert werden. Passiert war anderthalb Jahre trotz mehrerer Nachfragen und Mahnungen jedoch nichts. Erst dann meldete sich RB wieder mit einem Schreiben, in dem nähere Angaben zur Person erbeten wurden. Ob die Antwort ausreichend war oder nicht gefiel, bleibt wohl für immer ein Geheimnis. Danach schwieg der Verein erneut.
Der Antrag wurde also weder abgelehnt noch angenommen, er wurde ganz einfach ausgesessen. Offensichtlich ist das die wirkungsvollste Methode, um Querulanten zum Aufgeben zu bewegen. Zu denen gehört seit einem Jahr auch Klaus Hofmann. Der Präsident des FC Augsburg pflegt eine persönliche Feindschaft gegenüber den RB-Bossen und lässt stets bei passender Gelegenheit wissen, dass die Lizenzerteilung ein Skandal war. Sein Mitgliedsantrag, von dem er natürlich weiß, dass er nie ernsthaft bearbeitet wird, soll seine Argumentation stützen.

Ändern aber wird auch dieser Versuch nichts. Von Beginn an fürchtet der Verein eine Einmischung von außen mehr als eine 0:4-Niederlage. Man möchte unter sich bleiben, die Kontrolle behalten über die Millionen, die Red Bull als Sponsor und Kreditgeber zur Verfügung stellt. Unter den 19 Mitgliedern ist garantiert kein Kritiker dieses Modells, einige haben eine Red-Bull-Vergangenheit. So lässt es sich ruhig arbeiten – und erfolgreich. Der rasante Aufstieg der Rasenballer in den vergangenen zehn Jahren spricht jedenfalls nicht gerade gegen diese Struktur.
Ralf Rangnick verteidigt sie, wann immer er danach gefragt wird. „Es ist nicht mehr zeitgemäß, wenn Mitglieder bestimmen, was Herr Watzke oder Herr Rummenigge machen sollen“, findet der Sportdirektor und Trainer von RB und meint die Chefs von Borussia Dortmund und Bayern München. Wobei die Entscheidungsmacht der BVB-Mitglieder in strategischen Fragen ohnehin gering sei. Was stimmt, da nahezu alle Bundesligisten ihre Profiabteilungen in GmbHs oder AGs ausgegliedert haben, die Stammvereine und deren Mitglieder in ihren Kompetenzen beschränkt sind. Wichtiger als demokratische Prozesse innerhalb des Vereins oder deren Mitgliederstärke ist für Rangnick ohnehin „die Anzahl von Fans bei Heim- und Auswärtsspielen“.