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Warum kleine Brauereien sinnlos Geld ausgeben

Immer mehr große Anbieter füllen ihr Bier in eigene Flaschen. Anderswo müssen die dann aufwendig aussortiert werden.

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Von Tilo Berger

Am Freitagmorgen gegen 2 Uhr war die Wand niedergerissen. Als die Bauarbeiter Schluss machten, standen die Monteure schon bereit. Bis zum Mittag installierten sie dort, wo Stunden zuvor noch altes Gemäuer war, eine lange Sortiermaschine. Vor dieser stehen ab kommender Woche vier, fünf Frauen und Männer. Mit geübtem Griff schnappen sie sich alle Bierflaschen, deren Aussehen aus der Reihe tanzt. Zum Beispiel grüne. Oder 0,33-Liter-Flaschen. Welche mit Schnappverschluss. Oder auch solche, die den Namen der Biersorte im Flaschenhals statt auf dem Etikett tragen. Und das werden immer mehr. Der Platz, an dem bisher sortiert wurde, reicht nicht mehr aus.

Etwa 300.000 Euro kosten die Maschine und die Bauarbeiten. Katrin Bartsch freut sich sonst über Investitionen in der Görlitzer Landskron-Brauerei – über diese Ausgabe aber nicht. „Das Geld ist so sinnlos investiert“, ärgert sich die Geschäftsführerin. Aber ihr bleibt nichts anderes übrig –mittlerweile können die Görlitzer schon etwa ein Viertel des angelieferten Leergutes nicht selbst gebrauchen. Am Tag kommen da so 20 bis 30 Paletten voller Kästen und Flaschen zusammen.

Gerade während sie das sagt, belädt auf dem Hof ein blauer Landskron-Gabelstapler einen großen Lkw mit den roten Kästen einer anderen Brauerei inklusive deren Leergut. „Diese Flaschen wurden erst zu uns geliefert, von uns aussortiert und werden nun leer viele Kilometer durch die Gegend gefahren. Eine ökonomische und ökologische Katastrophe“, schimpft die Brauerei-Chefin in die Runde. Beipflichtendes Nicken. Die Frauen und Männer, die hier stehen und die neue Görlitzer Sortieranlage betrachten, haben alle die gleichen Sorgen. Es sind die Mitglieder des Sächsischen Brauerbundes, die sich in der Neißestadt zu ihrer Jahrestagung trafen. Sie alle stehen an der Spitze kleiner und mittelständischer Brauereien.

Extra Flaschen – extra Pfand

Bevor sie sich voneinander verabschieden, setzen sie alle noch ihre Namenszüge unter ein Papier. Das „Memorandum zur Erhaltung eines umweltverträglichen Mehrwegsystems“ sollen in den nächsten Tagen diverse Ministerien, Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie der sächsische Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) erhalten. Er hatte neulich bei einem Landskron-Besuch den mittelständischen Brauern seine Unterstützung zugesagt; jetzt wollen sie ihn beim Wort nehmen. Zum Beispiel könnte sich Tillichs Regierung ja für den Vorschlag des Sächsischen Brauerbundes stark machen: höherer Flaschenpfand für besondere Flaschen. Bei Bügelflaschen funktioniert das heute schon – ihr Pfand kostet 15 Cent, sonst acht.

„Wenn das so weitergeht wie zuletzt, ist das Mehrwegsystem in Deutschland in Gefahr“, warnt Steffen Dittmar, Inhaber der Löbauer Bergquell-Brauerei und Präsident des Sächsischen Brauerbundes. Gäbe es aber keine Mehrwegflaschen mehr, müssten alle Hersteller auf Einweg umstellen. Das würden, so befürchten die Brauereichefs, viele von ihnen finanziell nicht durchstehen. Absehbar gäbe es dann in Sachsen wohl nicht mehr wie jetzt 55 Brauereien. „Dabei ist ja gerade die sächsische Bier-Vielfalt legendär“, sagt Dittmar.

Hoffnung auf Fußball-Durst

Genau 310 verschiedene Biermarken können Sachsens Brauer ihren Kunden anbieten. Mit einigen Sorten starten sie in diesem Jahr eine gemeinsame Frühlingsoffensive. So sieht die Zwickauer Mauritius-Brauerei ihren „Bock Hell“ als Boten des Frühlings, die Brauerei im vogtländischen Plauen bietet mit „Siebziger Sternquell“ ein um 70 Prozent Kohlenhydrat-reduziertes Pilsner an, und Landskron schwört auf das östlichste Weizen Deutschlands.

Nach dem ersten Quartal dieses Jahres liegt der Absatz der sächsischen Brauereien auf Vorjahres-Niveau. Bis zum Jahresende streben sie wieder ein leichtes Plus an. 2010 brauten sie etwa 170.000 Hektoliter Bier, 2,1 Prozent mehr als im Jahr vorher. 2012 schauen Sachsens Brauer außerdem hoffnungsvoll Richtung Polen und Ukraine: Während einer Fußball-Europameisterschaft war der Bierdurst bisher immer besonders groß.