Homeschooling: Sechs Tipps für mehr Motivation zu Hause

Emilia aus Dresden hat auf nichts mehr Lust. Das geht schon mit dem Aufstehen los. Vor Corona musste die Fünftklässlerin halb sieben aus dem Haus, um den Bus nicht zu verpassen. Jetzt schläft sie bis halb neun, um dann freudlos in ihrem Müsli zu stochern. Setzt sich ihr Vater danach mit ihr an den Rechner, um zu checken, welche neuen Aufgaben die Lehrer im LernSax hochgeladen haben, verdreht Emilia nur die Augen. Zwar ist das Pensum machbar. Dran zu bleiben, fällt ihr trotzdem schwer. Sie kann sich noch nicht einmal für Bio und Geschichte motivieren – Fächer, die ihr normalerweise viel Spaß machen.
Vielen Schülern geht es so. Sie leiden darunter, dass kein Ende absehbar ist. Kultusminister Christian Piwarz (CDU) will am Freitag zwar verkünden, ab wann die Schule für alle wieder losgeht. Er hat in Aussicht gestellt, dass Schüler bis zu den Sommerferien „möglichst mindestens einmal in der Woche im Unterricht an der Schule sein können“. Doch das bedeutet im Umkehrschluss, dass an den anderen Tagen weiter zu Hause gelernt werden muss. Sechs Tipps, damit das leichter geht.
Tipp 1: Lehrer anschreiben
Das größte Problem für die meisten Schüler ist, dauerhaft Aufgaben zu erledigen, wenn der Lehrer sie nicht kontrolliert. „Je länger dieser Zustand anhält, umso schwerer fällt es, sich zu motivieren“, sagt Dr. Sabine Randow, Vorsitzende des Berufsverbandes der Schulpsychologen in Sachsen. Emilia kann sich nur aufrappeln, wenn sie eine Aufgabe bis zu einem bestimmten Termin abgeben muss. Neulich war das so, eine Übungsarbeit in Mathe. Die Lehrerin hatte danach jeden Schüler einzeln angeschrieben und mitgeteilt, was gut war und was noch geübt werden sollte. Emilia hat sich danach freiwillig an die Berichtigung gesetzt. „Das müssen die Lehrer hin und wieder machen, auch wenn sie sehr viel ringsum zu erledigen haben. Es ist nicht gut, wenn die Kinder gar nicht wissen, wo sie stehen“, sagt Nadine Eichhorn vom Landeselternrat Sachsen. Viele würden das schon machen.

„Gute Lehrer halten den Kontakt von sich aus und bleiben dran. Von den anderen kann man das bei Bedarf einfordern“, ist Schulpsychologin Ina Donath aus Meißen überzeugt. Braucht ein Schüler das Feedback seines Lehrers, weil er mit seinen Aufgaben nicht weiter kommt, solle er sich daher nicht scheuen, danach zu fragen. Ab der fünften Klasse sollten sie das selber machen, rät Randow. „Auch für die Lehrer ist das immer noch eine Sondersituation, und sie sind auf das Feedback aus den Familien ein Stück weit angewiesen“, sagt Nadine Eichhorn. „Wenn man wertschätzend mit ihnen spricht und die Probleme sachlich erklärt, ist viel Verständnis da.“ Eltern, die trotzdem nicht weiter kommen, können sich Hilfe vom Elternsprecher der Schule, des Kreises oder des Landes holen.
Tipp 2: Tagesstruktur nachjustieren
Viele Familien haben sich neue Routinen gesucht und festgelegt, wann die Kinder aufstehen, frühstücken und mit den Schulaufgaben beginnen. Doch spätestens die Osterferien haben klar strukturierte Abläufe weichgespült. Sie nachzujustieren, lohnt sich. „Wir haben beobachtet, dass jene Familien auch jetzt noch am zufriedensten sind, die einen festen Tagesrhythmus haben“, sagt Maresi Lassek, Vorsitzende des deutschen Grundschulverbandes. Eltern sollten den Schlaf- und Weckrhythmus ihrer Kinder nicht zu weit aufweichen lassen, auch wenn abends diskutiert wird oder es morgens Gemotze gibt. Es ist sinnvoll, Tages- oder Wochenpläne zu erstellen, in denen klare Anfangs-, Lern- und Pausenzeiten ebenso definiert sind wie der Arbeitsumfang und -zeit pro Tag. „Kinder müssen wissen, wann ihre Freizeit beginnt“, sagt Familientherapeut Andreas Rösch von der Diakonie Dresden. Zu Hause dürfe sich nicht alles nur um die Schule drehen. Rückt Tag X näher, an dem es wieder losgeht, können Kinder ihre Unterlagen ordnen und sich um den Ranzen kümmern. Das gebe Verbindlichkeit und helfe, sich innerlich wieder hochzufahren, so Sabine Randow.
Tipp 3: Keinen Kampfplatz eröffnen
„Es ist wichtig, dass die Kinder an den Themen dran bleiben und zu Hause etwas für die Schule machen“, sagt Nadine Eichhorn. Aber das Lernen soll nicht zum Kampfplatz gemacht werden. „Eltern können den Schulunterricht nicht ersetzen oder simulieren“, sagt Maresi Lassek. Inhaltlich sei auch in Corona-Zeiten die Schule zuständig. Für den Umfang der Lernzeit zu Hause sollten Eltern keinesfalls die Unterrichtsstunde als Maßstab nehmen, rät sie. Es reiche, gerade mit jüngeren Kindern zwei bis drei Arbeitsphasen pro Tag zu verabreden. Wer dabei zwischen Zeiten, in denen das Kind allein arbeitet, und gemeinsamen Beschäftigungszeiten abwechselt, kann die Lernmotivation besser erhalten. „Wenn das Kind gut gearbeitet, den Stoff aber nicht geschafft hat, haben die Eltern auch das Recht, Stopp zu sagen“, meint sie. Andreas Rösch sieht das auch so. „Wichtig ist, dass ein gutes Gefühl beim Lernen bleibt.“
Tipp 4: Mal was anders machen
Vor allem ältere Schüler und Eltern können über die Strategien nachdenken, damit das Lernen nicht langweilig wird, rät Lerncoach Hanna Hardeland. Manche Aufgaben fallen leichter, wenn man dabei auf- und abgeht. Bei anderen lohnt es sich, mit Schulkameraden darüber zu sprechen und zum Beispiel per Skype, WhatsApp, Facetime oder telefonisch eine Lerngruppe zu bilden. Jüngeren Kindern kann es helfen, selbst eine Lern-Übersicht oder ein Tageslernplan in Tabellenform zu erstellen. Wer für Abwechslung sorgt, bleibt motivierter bei der Sache. Dabei können auch Lernportale im Internet helfen. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender zum Beispiel bieten ein umfangreiches Lernprogramm für Kinder vom Vorschulalter bis zum Abitur. Eine Link-Liste finden Sie am Ende dieses Artikels.

Maresi Lassek empfiehlt, Grundschulkinder mit in die Alltagsaktivitäten einzubeziehen. Auch simple Dinge wie Kekse backen hätten einen nicht zu unterschätzenden Lerneffekt: „Man muss das Rezept lesen, einen Einkaufszettel schreiben, Zutaten berechnen. Selbst beim Ausstechen kann Mathe einfließen.“ Eltern könnten die Zeit nutzen, um gemeinsam mit ihrem Kind zu lesen, Geschichten weiterzudenken oder Länder und Tiere in Büchern oder online nachzurecherchieren. Auch ein Brief an die Großeltern habe einen hohen Lernwert.
Tipp 5: Frischluft sortiert Gedanken
„Bei einem Motivationsknick hilft viel Bewegung an der frischen Luft“, weiß Lassek. Gerade für Pubertierende sei die Situation schwierig, weil sie sich nicht nur den elterlichen Regeln, sondern auch staatlichen Beschränkungen unterwerfen müssten, sagt Elterncoach Felicitas Richter. Eltern sollten ihnen daher besonders jetzt so viel Freiraum wie möglich geben – zum Beispiel, um ihre Energie auf öffentlichen Sportplätzen rauszulassen. Sie sind seit dieser Woche wieder geöffnet.
Tipp 6: Ehrliches Lob tut gut
Hat das Kind sich angestrengt und durchgehalten, sollten Eltern es loben. Sie können sich erzählen lassen, was es herausgefunden hat oder wie es auf die Lösung gekommen sei. Das zeigt wirkliches Interesse. Die Situation verlangt den Kindern viel Willenskraft und Energie ab. „Sie machen Erfahrungen im sozialen Miteinander, müssen Toleranz üben, Lernstrategien entwickeln, ihr Frustrationsverhalten schulen – all das ist auch Lernzeit“, sagt Lassek.
Beratungshotline zur Lernzeit daheim des Landesamtes für Schule und Bildung:
- Bautzen Tel. 03591 621555
- Dresden Tel. 0351 8439450
- Radebeul Tel. 0351 8324424
Lernportale im Internet: