Was der BGH-Hinweis den VW-Diesel-Fahrern bringt

Der VW-Dieselskandal beschäftigt nach wie vor die Gerichte in Görlitz und Bautzen. Laut Auskunft von Landgerichts-Pressesprecher Reinhard Schade gibt es hier rund 200 Verfahren gegen VW, die teilweise verbunden sind mit Klagen gegen den jeweiligen Händler. 35 davon sind bereits entschieden. Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es bisher nicht, einige Male haben die Kläger gewonnen, in anderen Fällen VW. Und man muss davon ausgehen, dass die Urteile angefochten werden, das Oberlandesgericht (OLG) als nächste Instanz entscheiden muss. Nun hat der Bundesgerichtshof eine vorläufige Einschätzung veröffentlicht, nach der die Betrugssoftware einen Mangel im Sinne des Kaufrechts darstellt. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen, wie sich das für betroffene Besitzer von VW-Dieselfahrzeugen auswirkt.
Verbessert der BGH-Hinweis die Chancen der Kläger?
Wenn, dann wohl nur geringfügig. Reinhard Schade vom Landgericht Görlitz schätzt ein, dass dieser BGH-Hinweis eigentlich kaum Strittiges bestätige, nämlich dass die durch die Betrugssoftware verschleierten schlechteren (als im Verkaufsprospekt versprochenen) Abgaswerte einen Mangel darstellen. Der BGH begründet das mit der Möglichkeit, dass das Kraftfahrt-Bundesamt den Betrieb des Autos untersagen könnte, beantwortet allerdings eine Frage nicht: Ist das Auto auch nach dem Kraftfahrt-Bundesamt verlangten und von VW in den meisten Fällen durchgeführten Software-Update noch mangelhaft, oder ist der Mangel damit beseitigt? Im konkreten, vom BGH betrachteten Bayreuther Fall, hatte der Käufer das Software-Update nicht aufspielen lassen. Er hatte den Austausch seines über drei Jahre alten Autos gegen ein neues Modell verlangt.
Wie schätzt der größte VW-Händler der Region die Situation ein?
Mit acht Standorten in der Region Ostsachsen (Kamenz, Löbau, Görlitz, Radeburg, Zittau, Niesky, Neustadt und Hoyerswerda) ist die Autohaus Elitzsch GmbH nach eigenen Angaben der größte Neuwagenhändler der Marken Volkswagen und Audi. Geschäftsführer Uwe Simmang sagt: „Wir haben in weitestgehend allen betroffenen Autos das geforderte Software-Update ausgeführt, den Mangel damit beseitigt und fühlen uns schon allein deshalb nicht vom neuerlichen BGH-Hinweis betroffen.“ Verweigerer des Software-Updates habe es nicht gegeben. Nur wenige Kunden – genau 20 – hätten wegen des Dieselskandals gegen das Autohaus geklagt, angesichts der über 4 000 Autokäufer pro Jahr liege diese Zahl aber im Promillebereich. „Insgesamt merken wir, dass unsere Kunden weiterhin Vertrauen in die VW-Qualität haben. Ein wenig hat sich unser Verkauf von Fahrzeugen mit Dieselantrieb hin zu Benzinern verschoben“, berichtet Simmang. Eigentlich sei das paradox, weil der Dieselantrieb nach wie vor der effizientere und umweltfreundlichere Antrieb sei, wegen der deutlich besseren CO2-Bilanz. Die Stickoxide, über deren Wirkung derzeit kräftig gestritten wird, seien das Problem.
Was ist eigentlich aus den Sammelklagen geworden?
Es gibt zwei große: Die Verbraucherzentrale bündelt Musterfeststellungsverfahren, denen sich über 400.000 Kunden angeschlossen haben. Und der Rechtsdienstleister MyRight vertritt rund 35.000 Kunden aus Deutschland. Wann die Musterfeststellungsverfahren verhandelt werden, steht momentan noch nicht fest. MyRight ist da weiter, hat es geschafft, dass die Klage eines VW-Fahrers wohl vor dem Bundesgerichtshof landen wird. Zwar hat im konkreten Fall – der Kläger verlangt die Rückerstattung des Kaufpreises seines vor neun Jahren gekauften Diesel-Autos – MyRight die beiden ersten Instanzen vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht verloren, aber das OLG hat in seinem Urteil Mitte Februar eine Revision vor dem Bundesgerichtshof zugelassen – das eigentliche Ziel von MyRight. Bisher hatte sich VW vor Urteilen der Oberlandesgerichte oft mit den Klägern außergerichtlich geeinigt. Jetzt könnte es passieren, dass der Bundes- auch den Europäischen Gerichtshof anrufen wird, um zu prüfen, ob Verstöße gegen das EU-Recht vorliegen, nach denen VW zu Schadensersatz verpflichtet wäre.
Können sich VW-Diesel-Fahrer den Sammelklagen noch anschließen?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Es gilt, die dreijährige Verjährungsfrist zu beachten. Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, im konkreten Fall der Mangel bekannt geworden ist. Im VW-Dieselskandal war das 2015. Die drei Jahre sind also um. Es gibt aber Ausnahmeregelungen. Wer noch klagen oder einer Sammelklage beitreten will, sollte am besten von einem spezialisierten Anwalt prüfen lassen, ob das noch Sinn macht.
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