„Ich nehme alles mit, was ich kann“

Dresden. Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Leichtathleten der letzten Jahre: der Dresdner Speerwerfer Johannes Vetter. Der Weltmeister von 2017, der für die LG Offenburg startet, holte zwei Jahre später zudem WM-Bronze, bei Olympia 2016 wurde er Vierter. Die deutsche Meisterschaft in Braunschweig am 8. und 9. August soll für den 27-Jährigen der Start für die „Mission Gold“ bei den um ein Jahr verschobenen Olympischen Spielen in Tokio 2021 sein.
Am vergangenen Wochenende beendete er den Saisoneinstand in Zweibrücken nach drei ungültigen Versuchen wegen Ellenbogenproblemen. Eine Entzündung, erklärt er, „nichts Wildes“.
Im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung spricht Vetter, der mit 94,44 Metern auch den deutschen Rekord hält, über die schwierige Saison unter Corona-Bedingungen, die Reaktion der deutschen Politik und die Befürchtung, dass Doper die aktuelle Lage ausnutzen.
Herr Vetter, wie funktioniert Speerwerfen eigentlich unter Corona-Bedingungen?
In der Regel nimmt ja jeder Athlet seine eigenen Speere mit zum Wettkampf. Da kennt jeder sein Modell. Im Normalfall wirft auch jeder seinen eigenen Speer.
Aber Sie dürften laut Reglement auch mit einem fremden Speer werfen. Was dann?
Wie das geregelt wäre, weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht. Das lasse ich im Wettkampf mal auf mich zukommen. Wenn eine Flasche mit Desinfektionsmittel bereitsteht, sehe ich kein Problem.
Können Sie fast ohne Saisonwettkämpfe an Ihre Grenzen gehen?
Es ist doch die Frage, was die Motivation der einzelnen Athleten ist. Natürlich ist es wichtig, dass wir Wettkämpfe haben. Es gibt Sportler, die dieses Jahr als Übergangsjahr sehen, weil es keine Höhepunkte gibt – bis auf die deutsche Meisterschaft, was aber jetzt auch kein riesengroßes Highlight ist. Meine Motivation ist weiter hoch. Ich persönlich nehme alles mit, was ich kann.
Ihr letzter Wettkampf war im Oktober 2019 das WM-Finale von Doha, als Sie Bronze holten. Können Sie Ihre sportliche Verfassung derzeit einordnen?
Ja. Man sieht ja im Training, was geht und was nicht. Ich glaube schon, dass ich auch in diesem Jahr wieder über 90 Meter werfen kann.
Sind das deutsche Sportfördersystem und die Kadereinstufung, die sich an den erbrachten Leistungen in einer Saison orientierten, derzeit ausgesetzt?
Da müsste man die Verantwortlichen fragen, so richtig sehe ich da auch noch nicht durch. In dieser Situation könnte man es keinem Athleten übel nehmen, wenn er diese Saison keine entsprechende Leistung anbieten kann. So weit ich das verstanden habe, soll der Status erhalten bleiben. Aber wie genau das alles läuft, weiß ich nicht. Da bin ich wirklich überfragt.
Wünschen Sie sich eine klarere, transparentere Ansage?
Ja, das sehe ich so. Vielleicht gab es die schon und ich habe sie übersehen (lacht). In meiner Situation kümmere ich mich darum nicht. Ich bin ein Medaillenaspirant für nächstes Jahr. Da setze ich voraus, dass meine Förderung normal weiterläuft.
Es war zeitig klar, dass diese Saison die internationalen Höhepunkte ausfallen. Ist es Ihnen schwergefallen, den gewohnten Rhythmus aufzunehmen?
Eigentlich nicht so sehr. Das liegt natürlich auch daran, dass ich die letzten beiden Jahre mit extrem widrigen Bedingungen zu kämpfen hatte durch meine Verletzungen. Nach meiner Fuß-Operation im Oktober war ich froh, dass sich alles gut entwickelt hat. Ich glaube, es ist eine Einstellungsfrage, wie gut man mit gewissen äußeren Bedingungen umgehen kann. Es ist eine Herausforderung, aber die nimmt man halt an – wie es so viele Menschen in anderen Bereichen auch tun. Wichtig ist, Sicherheit für den linken Fuß zu bekommen.
Wieder Vertrauen zu fassen, ist eine reine Kopfsache?
Teilweise. Aber das habe ich gut im Griff. Ich konnte mir im Vorjahr trotz Schmerzen noch einen 90-Meter-Wurf aus der Schulter ringen. Da bin ich schon recht gnadenlos, was auch nicht immer gesund ist. Aber anders funktioniert es in dem Geschäft manchmal nicht. Der Fuß muss sich jetzt wieder an die Belastung anpassen, daran haben wir seit Oktober gearbeitet.