Vor wenigen Tagen hat die Bundeswehr in Mali mit der Ausbildung von Soldaten begonnen. Im Rahmen der EU-Ausbildungsmission sind etwa 80 Ausbilder und Sanitäter in Koulikoro stationiert. Über Hintergründe des Einsatzes sprachen wir mit dem Politikwissenschaftler Markus Kaim.


Herr Kaim, mehr als drei Monate nach dem Beginn der Invasion in Mali hat Frankreich die ersten Soldaten wieder abgezogen. Sind die Rebellen besiegt?
Von „besiegt“ würde ich nicht sprechen. Die Islamisten sind derzeit kein relevanter militärischer Akteur in Mali. Niemand weiß jedoch, wohin sie sich zurückgezogen haben. Die Grenzen zu den Nachbarstaaten sind weitgehend offen. Wir wissen nicht, wie viele Rebellen innerhalb des Landes untergetaucht sind. Ich würde keine Wetten darauf abgeben, dass es nicht wieder zu Anschlägen oder Gefechten kommt. Es wäre verfrüht und fatal, einen Sieg über die islamistischen Rebellen zu verkünden.
Der Uno-Sicherheitsrat hat beschlossen, eine Uno-Truppe für Mali aufzustellen. Welcher deutsche Beitrag wäre aus Ihrer Sicht angemessen?
Ich gehe davon aus, dass sich Deutschland nicht an der MINUSMA-Truppe beteiligt. Sie wird im Wesentlichen aus französischen Soldaten und Truppen afrikanischer Staaten bestehen, die bereits in Mali operieren. De facto ändert sich nichts. Sie erhalten nur einen anderen Rechtsrahmen und eine andere Finanzierung.
Bisher ist Deutschland mit Militärausbildern in Mali präsent. Wird es also bei dieser Politik der Zurückhaltung bleiben?
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Unter dem Eindruck der Erfahrungen in Afghanistan will niemand riskieren, deutsche Soldaten in einen neuen Kampfeinsatz zu schicken. Dafür gäbe es derzeit keine Mehrheiten – weder in der Politik noch in der Bevölkerung.
Wie groß ist die Gefahr, dass Deutschland in einen langen Konflikt hineingerät?
Wenn Verteidigungsminister Thomas de Maizière und andere deutsche Politiker sagen, die Bundeswehr werde durch die Ausbildungsmission lange in Mali gebunden sein, dann sagt das viel aus über die Lage im Land, den Zustand der Armee und die Schwäche des Staates. Ob es ausreicht, pro Jahr ein paar Hundert malische Soldaten auszubilden, ist fraglich. Wenn es der malischen Armee nicht gelingt, die islamistischen Rebellen in Schach zu halten, dann wäre auch der deutsche Beitrag vergeblich. Der mittel- und langfristige Erfolg hängt von der Wirksamkeit der Uno-Mission ab.
Für den SPD-Politiker Rainer Arnold zeigt die deutsche Haltung zu Mali, dass Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz gezogen wurden. Sind es die richtigen?
Auf Dauer wird Afghanistan nur dann stabilisiert, wenn es auch gut regiert wird – also ohne Korruption, ohne Verletzung von Menschenrechten. Andernfalls ist jeder militärische Erfolg zwecklos. Diese Erkenntnis lässt sich auch auf Mali übertragen. Wenn es nicht gelingt, die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen, faire Wahlen abzuhalten und die Rebellen politisch einzubinden, dann wird auch jedes Engagement von außen auf Dauer unwirksam bleiben. Das erklärt, warum sich die deutsche Politik im Fall Mali so zurückhaltend verhält. Das fällt auch deshalb auf, weil einige Vertreter der Bundesregierung noch im Januar von einer Bedrohung für die Sicherheit Europas gesprochen hatten.
Wäre ohne die Gefahr durch Islamisten für Europa das wichtigste Argument für den Einsatz hinfällig?
Es gibt auch humanitäre Gründe für den Einsatz, um der von den Rebellen bedrohten Zivilbevölkerung zu Hilfe zu kommen. Das ist allerdings ein zwiespältiges Argument. Es provoziert nämlich die Frage, warum gerade dort und nicht auch woanders auf der Welt. Hinzu kommt, dass der Vormarsch der Rebellen in Mali destabilisierend auf die gesamte Region gewirkt hat. Sie agieren über Grenzen hinweg, ziehen sich in Nachbarländer zurück, erhalten von dort Waffen und Ausrüstung. Ob Aqmi und andere Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida Anschläge in Europa planen und damit die Sicherheit bedrohen, ist eine andere Frage. Da bin ich eher zurückhaltend. Es geht in Mali um regionale Sicherheit, (noch) nicht um unsere.
Warum muss das dennoch als Argument herhalten?
Das hat mit der Schwierigkeit der Politik zu tun, Auslandseinsätze vor der Öffentlichkeit zu legitimieren. Die Begründung für den Mali-Einsatz ist eine Variation des Arguments, dass Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, es ginge in Mali und den Nachbarstaaten vor allem um die nationalen Interessen Frankreichs?
Frankreich versteht sich als Ordnungsmacht in der Region. Es geht um den Zugriff auf natürliche Ressourcen, aber auch um den Schutz von Tausenden französischen Staatsbürgern, die dort leben.
Ist Frankreichs Alleingang ein Beleg dafür, dass eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der EU eine Utopie bleibt?
Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Der Grundgedanke der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ging davon aus, dass die Europäer überall dort als Krisenmanager auftreten, wo sich die USA nicht engagieren wollen oder können. Das betrifft die Peripherie der EU, also auch Mali. Eigentlich gibt es dafür seit 2007 die sogenannten „battle groups“, die für schnelle Interventionen aufgestellt wurden. Die kamen aber noch nie zum Einsatz.
Das Gespräch führte Frank Grubitzsch.