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Was machen ausrangierte Doppelstockwagen aus Görlitz im Fährhafen Mukran?

Auf Abstellgleisen auf der Insel Rügen stehen die Waggons in langen Reihen. Die SZ fand heraus, warum die Bahn sie dort parkt.

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Von Tilo Berger

Die Straße vom Ostseebad Binz in die Hafenstadt Sassnitz führt kilometerweit durch Wald. Der sich mit einem Mal lichtet und den Blick freigibt: rechts auf die Terminals und Hallen des Fährhafens Sassnitz-Mukran, links auf endlos scheinende Gleise. Auf einigen warten Güterzüge auf die Fähre. Am Rande aber, auf Abstellgleisen, parken rote Doppelstockwagen. Es mögen Hunderte sein, alle gebaut in Görlitz. Seit Beginn des Doppelstockwagenbaus in den 30er Jahren verließen einige Zehntausend dieser Fahrzeuge den größten Industriebetrieb der Neißestadt.

Gleise zum Abstellen gibt es in Sassnitz-Mukran genug. Als die DDR ab 1984 diesen Fährhafen baute, wurden im Hinterland auch etwa sechzig Kilometer Schienenstrang neu verlegt: vierzig Kilometer europäische Normalspur, zwanzig Kilometer Breitspur für Waggons aus oder in Richtung Sowjetunion. Denn für den Warenverkehr zwischen dem größten Land der Erde und der DDR wurde dieser Hafen aus dem Boden gestampft. Der Landweg durch Polen war den beiden Bruderländern zu teuer, unsicher und auch politisch nicht mehr ganz geheuer geworden.

Ausgemustert und abgestellt

1986 fuhren die ersten Fähren zwischen Mukran und der litauischen Hafenstadt Klaipeda (Memel). Anfang der 90er Jahre reisten von Mukran aus Tausende Soldaten der in der DDR stationierten sowjetischen Besatzungstruppen zurück in ihre Heimat. Heute ist Sassnitz-Mukran der mittlerweile größte Eisenbahnfährhafen Deutschlands. Hier starten oder ankern Schiffe vor allem von und nach Russland, Schweden, Dänemark, Finnland und dem Baltikum. Und gar nicht mal so selten legen in Mukran auch Kreuzfahrschiffe wie die „Aida“ an.

Aber unternehmen deren Passagiere dann in Doppelstockwagen einen Ausflug ins Landesinnere? Oder handelt es sich um Fahrzeuge, die der Hersteller Bombardier oder die Deutsche Bahn ins Ausland verkaufen und die in Mukran auf die Fähre rollen sollen?

Weder noch. Daniela Bals von der Pressestelle der Deutschen Bahn AG klärt auf: Die hier geparkten Doppelstockwagen stammen aus den 70er Jahren, gebaut im Görlitzer Waggonbau. In den 90er Jahren wurden sie zwar modernisiert, aber neue Fahrzeuge mit zeitgemäßem Komfort ließen sich daraus nicht zaubern. Im selben Tempo, wie die Deutsche Bahn neue, moderne Fahrzeuge in Betrieb nahm, musterte sie ältere Doppelstockwagen aus. „So auch diese“, sagt Bahnsprecherin Bals über die in Mukran geparkten Wagen.

Ersatzteilspender und Reserve

Sie stehen nun dort als Ersatzteilspender, „weil gerade bei älteren Fahrzeugmodellen oft Teilehersteller nicht mehr existieren oder im Extremfall teure Einzelfertigung beauftragt werden müsste. Dafür werden nicht betriebsbereite Fahrzeuge zerlegt. Betriebsbereite Fahrzeuge können im Bedarfsfall als Reserve bei Engpässen aktiviert werden“, erklärt Daniela Bals. Ins Ausland verkauft würden die in Mukran geparkten Fahrzeuge jedenfalls nicht. „Es hat auch bisher keine solchen Verkäufe gegeben.“