Von Kathrin Krüger-Mlaouhia
Ebersbach. Das wird ein Fotoalbum! Antoine im herrschaftlichen Barockkostüm, Antoine mit den Langen Kerls von Preußen, Antoine im Feuerwehranzug und demnächst noch mit Kutscherumhang beim großen Winzerzug in Radebeul. Was für andere Gleichaltrige vielleicht ziemlich schrecklich wäre, ist für den 18-jährigen Taiwanesen eine große Freude und eine Riesenchance. Wann kann er das schon noch mal im Leben so mitmachen?
Für ein Jahr kam Antoine, der eigentlich Hsu Yu Hsuan heißt, als Austauschschüler nach Deutschland. Gemeinsam mit einem 15-jährigen Landsmann, einer Kolumbianerin und einem Japaner lernt er am Großenhainer Siemens-Gymnasium. Und lebt bei einer Gastfamilie. Die Tennerts aus Ebersbach hatten ihn für sich ausgesucht. „Wir haben Platz und wir finden es schön, ein offenes Haus zu haben“, sagt Heidrun Tennert. Die eigenen Kinder sind schon groß. Antoine hatte sich bei der Organisation Euro Vacances als kreativer junger Mann präsentiert: mit einem Foto, auf dem er töpfert. Das gefiel Heidrun Tennert.
Besser in die Zeit zurückversetzen
Und so nahmen sie und ihr Mann Günter das neue Gastkind gleich am ersten Wochenende mit nach Königs Wusterhausen zum Schlossfest. Natürlich im Kostüm als Darsteller. Denn Heidrun Tennert hat bekanntlich einen Kostümverleih und ist mit ihrem Mann im Verein Dresdner Barock. Das ist ganz nach dem Geschmack des jungen Taiwanesen. Der hat sich schon bei früheren Reisen nach Japan, Vietnam, in die Niederlande oder Frankreich in einer landestypischen oder historischen Tracht fotografieren lassen. „Ich finde das toll“, sagt der junge Asiate in gebrochenem Deutsch. „In so einem Kostüm kann man sich doch viel besser in die Zeit zurückversetzen.“ Natürlich musste er dafür die moderne Armbanduhr abmachen. Und Handy war auch nicht erlaubt.
Doch Antoine geht auf in diesem Aufzug. Weil ihn Kunst und Kultur interessierten. Deshalb ist er nach Deutschland gekommen. Denn er möchte gern Architektur studieren. Deshalb haben seine Eltern 15000 US Dollar für seinen Aufenthalt bezahlt. Deshalb strengt sich der Taiwanese an, Deutsch zu lernen. Was ihm auch schon gut gelingt. Im Großenhainer Gymnasium ist er im Fortgeschrittenenkurs Englisch. Gemeinsam mit dem japanischen Gastschüler in seiner Klasse stacheln sie sich gegenseitig beim Deutschlernen an. Schon mit 15 wollte Antoine ein Austauschjahr machen. Doch zu Hause gab es lange Diskussionen. Weil es teuer ist. Und weil die Mutter dafür war, der Vater aber dagegen. Nun hatte sich doch die Mutter, die eine chinesische Klinik führt, durchgesetzt. Aber Deutschland und nicht - wie Antoine wollte - Frankreich als Gastland vorgeschlagen. Denn hier sei die Wirtschaft stark und das Bildungssystem besser. Sein Studium wird der Taiwanese aber voraussichtlich wieder in der Heimat absolvieren.
Chinesische Teigtaschen Dumplings
Doch vorerst will er noch stärker mit Gleichaltrigen in Kontakt kommen. Denn seine Vorkenntnisse über Deutsche haben sich nicht bestätigt. „In Taiwan machen wir manchmal Witze über Deutsche, dass sie langweilig sind und sich die Sprache furchtbar anhört“, schmunzelt der Asiate. Doch das stimme nicht. Das hat Antoine zum Beispiel voriges Wochenende beim Ebersbacher Dorffest gemerkt, als es am Schützenhaus lustig zu ging. Auch zur Disko war der junge Mann dort schon. Ein Jugendlicher aus dem Dorf zeigte ihm Ebersbach. Auch mit den Kameraden der Feuerwehr hat sich Antoine angefreundet.
Antoine hat alles fotografiert – es kommt in sein Album. Nein, ein richtiges Buch will er machen, wenn er wieder zu Hause ist. Dort sind dann auch die Fotos vom barocken Dresden drin, das ihn so beeindruckt.
Sicher auch ein Schnappschuss, wie der Taiwanese gemeinsam mit Gastvater Günther kocht. Zum Beispiel Reis, oder Schnitzel – das schmeckt ihm hier gut. Zu Hause in seiner Heimatstadt Taizhong machte er manchmal chinesische Teigtaschen: Dumplings. Die werden Tennerts sicher bestellen, wenn sie mit Antoine das taiwanesische Restaurant in Radebeul besuchen. Da gibt es zwei Arten von Gerichten: solche für echte Taiwanesen, und solche, die gern mal taiwanesisch essen möchten. „Letztere sind viel weniger scharf“, erklärt Antoine.