Von Catharina Karlshaus
„Unsere Geschichte fängt in der deutschen Euro-Druck-Fabrik an. Dort wurde gerade das letzte Ein-Euro-Stück geprägt. Es hieß Egon. Und Egon musste sehr lange in dieser Fabrik warten, bis man ihn mit einem Sicherheitstransport zur Bank brachte. Von dort aus konnte seine Reise in die weite Welt beginnen.. .“
Das Kind, das sich dieses Abenteuer von Egon und seinen Geldstück-Freunden einfallen ließ, heißt Christin. Christin ist elf Jahre alt und Schülerin der sechsten Klasse. Mit der weiten Welt und dem europäischen Kontinent kennt sich die kleine Dichterin schon außerordentlich gut aus. Kein Wunder: Christin besucht die Europaschule in Ortrand.
Eine Schule, die ursprünglich einmal eine ganz normale Grundschule für Schüler der Klassen eins bis sechs gewesen ist. „Doch nach der Wende haben wir überlegt, wie wir die Kinder mit neuen Unterrichtsformen zu mehr Offenheit, Mut und sicherem Auftreten erziehen können“, erinnert sich Schulleiterin Lore Stoll. Gerade an westdeutschen Kindern habe man immer wieder bemerkt, dass sie mit weniger Zurückhaltung und mehr Selbstbewusstsein auftreten. „Uns ging es nun darum, Persönlichkeiten heranzubilden, die aufgrund ihrer Fähig- und Fertigkeiten, aber auch wegen ihres Auftretens in der heutigen Zeit bestehen können“, sagt die 58-jährige Stoll.
Aus diesem Grund habe man sich dann auch bei einem Programm des Comenius-Institutes beworben. Eines, das für die 140 Schüler und elf Lehrer die Möglichkeit bot, mit anderen europäischen Schulen eine Partnerschaft aufzubauen.
„Und das ist uns auch absolut gelungen“, sagt Lore Stoll. Freundschaftliche Verbindungen habe man mittlerweile mit einer Schule im niederländischen Lopikabel und dem österreichischen Pötschikg. Dabei schrieben sich die Mädchen und Jungen nicht nur Briefe. Im Gegenteil: Es finden Treffen in den jeweiligen Ländern statt, das letzte gemeinsame Kinderfest organisierten die Ortrander. „Natürlich wären wir auch lieber nach Österreich gefahren. Aber da fehlt uns das Geld. Nicht alle Eltern können sich solche Extratouren ihrer Kinder leisten“, so Stoll.
Seit dem Schuljahr 1998/99 heißt die Schule nun offiziell „Europaschule“. Die Kinder, die in ihr lernen, kommen nicht nur aus dem brandenburgischen Ortrand, sondern auch aus Kmehlen, Böhla oder Naundorf. „Wenn Eltern einen entsprechenden Antrag bei der Schulbehörde stellen, ist das problemlos möglich“, so Stoll.
Dass der Schulweg manchmal etwas weiter ist, störe die Betreffenden nicht: Immerhin lernen die Kinder bereits ab der ersten Klasse Englisch, pflegen Kontakte mit Schülern aus Griechenland, Russland, Ungarn, Polen, Dänemark und England. Einmal im Jahr beschäftigen sie sich in einer Projektwoche mit europäischen Ländern, fertigten Ausarbeitungen an, entwickeln Spiele und schreiben Geschichten. „Fast haben wir schon alle europäischen Länder durch und blicken deshalb schon auf andere Kontinente“, verrät Lore Stoll. Mehr noch: Gerade gehen die Kinder der Frage nach: „Was will der Weihnachtsmann in Afrika?“.